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Politik: 18. August 2004: Kanzler eröffnet Wahlkampf 2006 Seine Regierung soll dafür ab sofort „alle Kräfte“

auf die Erklärung der Reformen konzentrieren

Von Robert Birnbaum

Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will mit konzentrierter Überzeugungsarbeit für seinen Reformkurs schon jetzt die Grundlagen für einen Wahlsieg 2006 legen. Schröder kündigte am Mittwoch in Berlin an, er und die übrigen Regierungsmitglieder würden über einen längeren Zeitraum „alle Kräfte“ darauf verwenden, den Bürgern insbesondere das Hartz-IV-Gesetz zu erläutern. Zentrales Problem sei die zeitliche Lücke zwischen den Beschlüssen und ihrer Wirkung. Er hoffe aber, diese Kluft „bis 2006 schließen zu können“. Die Regierung müsse darauf bauen, dass die Einsicht sich am Ende durchsetze. Im Wahljahr werde es „daneben“ um die personelle Alternative zwischen dem Duo Schröder/Fischer und Merkel/Westerwelle gehen.

Ausdrücklich lobte Schröder die positive Reaktion der Sozialverbände und der Gewerkschaften auf die Nachbesserungsbeschlüsse der Regierung zum Hartz-IV- Gesetz. Namentlich DGB-Chef Michael Sommer habe hier eine „große Leistung“ vollbracht. Sich selbst und sein Kabinett nahm der Kanzler gegen den Vorwurf in Schutz, falsch oder zu spät auf den Unmut zu reagieren. Alle hätten ihr Mögliches getan. Eine Kabinettsumbildung in absehbarer Zeit schloss der Kanzler aus.

Weitere Nachbesserungen oder eine Verschiebung der Hartz-Reform lehnte der Bundeskanzler ebenso kategorisch ab wie einen Verzicht auf die letzte Stufe der Steuerreform. Überlegungen zu einem Mindestlohn seien grundsätzlich legitim, doch würde das Thema die Politik derzeit wahrscheinlich überfordern. Schröder zeigte auch Verständnis für die Menschen, die aus Sorge um ihre Zukunft vor allem in Ostdeutschland auf die Straße gingen. Dabei spiele offenbar auch die Stimmung eine Rolle, dass die Probleme der neuen Bundesländer nicht hinreichend wahrgenommen würden. Dieser Protest sei gutes demokratisches Recht. Schröder erneuerte aber den Vorwurf gegen PDS und Teile der CDU, sie wollten aus Ängsten, die weithin unbegründet seien, parteipolitisches Kapital schlagen. Ein solches „Verhinderungsbündnis“ schade Deutschland und gefährde alle Bemühungen, den Sozialstaat zu erhalten.

Auch mit Kritikern in den eigenen Reihen ging Schröder deutlich ins Gericht. Dem niedersächsischen SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel warf er vor, Forderungen zu erheben, die längst im Hartz- Gesetz verwirklicht seien. Die „Personalie“ Oskar Lafontaine sei bei Parteichef Franz Müntefering gut aufgehoben. Lafontaine bekräftigte derweil, dass er am 30. August zu Demonstranten in Leipzig reden werde. Das Aktionsbündnis Soziale Gerechtigkeit habe ihn eingeladen. Er werde nicht mehr als „klassischer Politiker“ angesehen, sondern als „Speerspitze einer politischen Mehrheit, die nicht im Parlament vertreten ist“, sagte er dem Tagesspiegel.

Im neuen Streit um die Zahnersatz-Versicherung forderte Schröder CDU-Chefin Angela Merkel zu erneuten Gesprächen auf. Die von der CDU durchgesetzte Lösung sei hochbürokratisch und zu teuer.

Die Oppositionsspitze reagierte mit Kritik. Merkel sprach von einer ernüchternden Halbzeitbilanz. CSU-Chef Edmund Stoiber nannte die Gleichsetzung mit der „Verneinungspartei“ PDS eine „Unverschämtheit“. Aus der CDU gab es aber gegen den Kurs der Führung erneut auch Nachforderungen an Hartz IV. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus nannte Schröders Absage an Korrekturen „verantwortungslose Sturheit“.

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