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Die Anwälte von Beate Zschäpe stellen einen Befangenheitsantrag gegen die Richter: Bisher sollen sie noch kein Geld für ihre Arbeit erhalten haben.

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Update

35. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Verteidigung von Beate Zschäpe stellt Befangenheitsanträge

Beim NSU-Prozess in München haben die Anwälte von Beate Zschäpe einen Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter gestellt. Dabei geht es um ihre eigene Bezahlung als Pflichtverteidiger - denn bisher haben sie noch nicht viel Geld gesehen.

Von Frank Jansen

Das Verhältnis zwischen Verteidigern und Richtern hatte sich entspannt, doch jetzt kommt es wieder zum Konflikt. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München haben die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe am Dienstag verkündet, sie hätten am Tag zuvor einen Befangenheitsantrag gestellt. Er richtet sich gegen alle fünf Richter des 6. Strafsenats, ausgenommen sind nur die Ergänzungsrichter. Im Ablehnungsgesuch geht es vor allem um die Bezahlung des Koblenzer Anwalts Wolfgang Stahl, der zusammen mit Wolfgang Heer und Anja Sturm die Angeklagte vertritt. Stahl, der diese Woche nicht im Prozess erscheinen wird, befürchtet angesichts der hohen Arbeitsbelastung durch das NSU-Verfahren enorme finanzielle Probleme, sollte er keinen Vorschuss bekommen, der über die vom Senat festgesetzten 5000 Euro deutlich hinausgeht.

5000 Euro für die Verteidigung von Beate Zschäpe

Stahl, der wie seine beiden Kollegen als Pflichtverteidiger auftritt, hatte laut Antrag im Mai  beim Strafsenat „die Bewilligung und Festsetzung

eines angemessenen Vorschusses“ auf die zu erwartende, so genannte Pauschgebühr für seine Tätigkeit während des Ermittlungsverfahrens beantragt. Stahl war im November 2011 in den Fall Zschäpe eingestiegen. Die mutmaßliche Pauschgebühr in voller Höhe wird im Gesuch mit „zumindest 77.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer“ veranschlagt. Außerdem kommen noch weitere Auslagen von etwa 1800 Euro hinzu.

Der Bezirksrevisor des OLG setzte im Mai einen Vorschuss von 3000 Euro fest. Stahl widersprach, daraufhin bewilligte am 9. September der dem 6. Strafsenat angehörende Richter Konstantin Kuchenbaucher, womöglich in Absprache mit seinen Kollegen, 5000 Euro. Aber auch dieser Betrag ist nach Ansicht Stahls und der Co-Verteidiger für die Arbeit in dem einen Jahr des Ermittlungsverfahrens viel zu gering. Stahl habe allein monatlich Fixkosten in Höhe von 5000 bis 6000 Euro zu tragen, heißt es im Befangenheitsantrag. In seinen Stellungnahmen betonte Stahl, er habe im vorbereitenden Verfahren eine „Netto-Arbeitszeit von 756 Stunden und 17 Minuten“ aufgewandt.

Richter Kuchenbauer bestritt auch nicht, dass der Verteidiger ein gewaltiges Pensum zu bewältigen hat und für Stahl kaum noch Zeit bleibt, andere Mandate wahrzunehmen. Die Strafsache sei mit 596 Stehordnern „außergewöhnlich umfangreich und im Hinblick auf die tatsächlichen Probleme des Tatnachweises besonders schwierig“, heißt es im Beschluss vom 9. September. Deshalb sei es gerechtfertigt, selbst die für Wahlverteidiger geltenden Höchstgebühren zu überschreiten. Aber mehr als 5000 Euro Vorschuss gab es trotzdem nicht.

Sollen die Verteidiger von Zschäpe finanziell ausgehungert werden?

Zschäpes Verteidiger befürchten, sie sollten finanziell ausgehungert werden. Sie stünden  vor der Wahl, ob sie die Verteidigung „mit nahezu ihrer vollen Arbeitskraft führen, oder – gegen ihre Überzeugung und nicht zuletzt unter Verletzung strafprozessualer und berufsrechtlicher Verpflichtungen – die erforderliche Intensität der Bearbeitung dieser Staatsschutzsache nicht mehr zu leisten, um mittels anderer Verteidigertätigkeiten ihre monatlichen Kosten sowie ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können“, steht im Ablehnungsgesuch. Heer und Sturm haben allerdings bislang keinen Antrag auf Vorschuss gestellt.

Aus Sicht der Verteidiger ist zudem Richter Kuchenbauer befangen, weil er in dem Beschluss zum Vorschuss für Stahl sich „offenkundig überzeugt“ zeige, dass dem Senat ein Tatnachweis im Fall Zschäpe gelingen werde. 

Über das Ablehnungsgesuch sollen nun drei Richter des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts entscheiden. Bereits zu Beginn des Prozess hatten Zschäpes Verteidiger einen Befangenheitsantrag gestellt, der jedoch abgewiesen wurde.

Die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben schlossen sich dem Teil des Befangenheitsantrags an, der nur Richter Kuchenbauer betrifft. Anwalt Olaf Klemke hielt Kuchenbauer vor, mit dem Wort "Tatnachweis" habe er deutlich gemacht, es gehe ihm gar nicht mehr um die Aufklärung des Sachverhalts an sich.

Am Nachmittag stellten die Verteidiger Zschäpes einen weiteren Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter des Strafsenats. Anlass waren die dienstlichen Stellungnahmen der Richter zum ersten Ablehnungsgesuch der Anwälte. Vier Richter, darunter Götzl, betonten, sie seien am Beschluss des Kollegen Kuchenbauer zum Vorschuss für Verteidiger Stahl nicht beteiligt gewesen. Kuchenbauer gab außerdem zu Protokoll, er habe den Beschluss alleine zu verantworten. Das glauben die Verteidiger Zschäpes nicht.

Sie gehen weiterhin davon aus, dass Kuchenbauer in Absprache mit den anderen Richtern gehandelt hat und der gesamte Strafsenat dem Verteidiger Stahl einen angemessen Vorschuss vorenthalten will. Kuchenbauer habe Stahl Anfang September mitgeteilt, der Senat diskutiere noch, heißt es im zweiten Befangenheitsantrag. Und: Ein Richter, der eine unwahre dienstliche Äußerung abgebe, sei aus Sicht einer Angeklagten „erkennbar nicht neutral“. Die Verteidiger von Ralf Wohlleben machten sich auch dieses Ablehnungsgesuch zueigen. Die Bundesanwaltschaft und eine Nebenklage-Anwältin forderten hingegen, den Prozess ohne Unterbrechung fortzusetzen. Die Anwältin sprach von einem „absurden Theater“.

Am Abend hatte dann das Hickhack ein vorläufiges Ende. Richter Götzl verkündete, die Hauptverhandlung werde an diesem Mittwoch aus- und erst am Donnerstag fortgesetzt. Die Richter des anderen Strafsenats, die über die Befangenheitsanträge gegen Götzl und seine Kollegen entscheiden müssen, schaffen es wegen eigener Sitzungstermine nicht schneller.

Am Mittwoch sollten ursprünglich Zeugen zum Fall des vom NSU im April 2006 in Dortmund erschossenen Deutschtürken Mehmet Kubasik gehört werden. Geladen war auch Gamze Kubasik, die Tochter des Ermordeten. Ihr Anwalt Sebastian Scharmer reagierte Dienstagabend erkennbar verärgert auf den Wegfall des Verhandlungstages.

Am Dienstag selbst hätten Zeugen zum NSU-Mord an Mehmet Turgut auftreten sollen. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten den Türken im Februar 2004 in Rostock in einem Döner-Imbiss mit drei Schüssen getötet.

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