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Die Menschen gehen zum Jubiläum auf die Straße.

© dpa

40 Jahre Demokratie in Portugal: Tränen zum Jubiläum

In Portugal jährt sich zum 40. Mal die Nelkenrevolution. Die alten Helden wollen an den offiziellen Feiern aber nicht teilnehmen. Die schlimme Lage im Land macht sie wütend.

Die Revolutionsfeier im Euro-Krisenland Portugal fand ohne die Revolutionäre statt: Vor 40 Jahren, am 25. April, erhob sich eine Gruppe junger Offiziere gegen die bleierne Diktatur in Portugal, erzwang mit einem unblutigen Aufstand den Rücktritt des damaligen Unterdrücker-Regimes. Die Bürger riefen „Es lebe Portugal“ und bedankten sich bei den Soldaten mit roten Nelken, welche die Militärs in ihre Gewehrläufe steckten – was dieser friedlichen Rebellion den Namen „Nelkenrevolution“ einbrachte.

Doch jene Männer, die vor vier Jahrzehnten der Demokratie, Freiheit und sozialen Gerechtigkeit den Weg bahnten, weigerten sich nun, an der offiziellen Jubelveranstaltung im portugiesischen Parlament teilzunehmen. Weil es aus ihrer Sicht in jenem Land, das vor drei Jahren vom EU-Rettungsfonds vor der Staatspleite bewahrt werden musste, wenig zu feiern gibt. Und aus Protest gegen die harte Sparpolitik, mit welcher der konservative Regierungschef Pedro Passos Coelho versucht, das Schuldenland aus dem Tal zu ziehen.

„Wir sind gegen diese Regierung, welche die Lebensbedingungen der Portugiesen verschlechtert “, sagt der 77-jährige Otelo Saraiva de Carvalho, der den Aufstand der linken „Bewegung der Streitkräfte“ mit anderen Offizieren anführte. „Es ist frustrierend, dass 40 Jahre nach dem 25. April mehr als zwei Millionen portugiesische Familien in Armut leben.“ Zwar habe man den damaligen Polizeistaat besiegt, für die zehn Millionen Portugiesen die Bürgerrechte wiedergewonnen. „Aber wir sind enttäuscht, weil der Sozialstaat, den wir wollten, weit entfernt ist.“

Tag des Zorns

Portugal hatte sich nach dem EU-Rettungskredit von 78 Milliarden Euro zu einer harten Sanierungspolitik mit Steuererhöhungen, Kürzungen staatlicher Leistungen und Lohnsenkungen verpflichtet. Der Sparkurs ließ die ohnehin schwache Wirtschaft weiter einknicken. Arbeitslosigkeit, Armut und Verzweiflung wuchsen. Zehntausende packten die Koffer, suchten im Ausland ein besseres Leben.

„Es reicht, wir können nicht mehr“, protestieren immer mehr Portugiesen. Der internationalen Kreditgeber-Troika aus EU, Währungsfonds und Europäischer Zentralbank schleudern sie entgegen: „Schert euch zum Teufel.“

Der nationale Revolutions-Feiertag, der „Dia da Liberdade“ (Tag der Freiheit), ist jetzt auch ein Tag des Zorns, an dem die Bürger - mit roten Nelken in der Hand - gegen die Sparwut auf die Straße gehen. Und die alte Revolutionshymne „Grândola, Vila Morena” (Grândola, dunkle Stadt) verwandelte sich zum aktuellen Kampflied der frustrierten Portugiesen.

Bei der Kommunalwahl im Herbst bekam Regierungschef Passos Coelho bereits heftigen Gegenwind zu spüren: Seine konservativen Sozialdemokraten erlitten eine verheerende Niederlage, die oppositionellen Sozialisten triumphierten. In der kommenden Europawahl bahnt sich die nächste Abstrafung an. Aber Passos Coelho, der in Brüssel als Reform-Musterschüler der Troika gilt, gibt sich optimistisch und sieht Portugal auf dem Weg der Besserung: „Wir geben nicht auf.“

Langer Leidensweg

Immerhin kann er pünktlich zum Revolutionstag einen Achtungserfolg vorweisen: Seinem Land gelang es, nach fast drei Jahren am Rettungstropf, erstmals wieder Geld am Finanzmarkt zu erträglichen Zinsen zu leihen. Die Anleger rissen sich sogar um die portugiesischen Schuldpapiere. „Das gibt uns Zuversicht“, strahlte Passos Coelho. Wenn alles gut gehe, könne man nun den Rettungsschirm abschütteln, dessen Schutz Mitte Mai ausläuft.

Auch wenn die Bürger in ihren Geldbeuteln noch keine Besserung spüren, scheint sich der Himmel tatsächlich etwas aufzuklaren: Dank der eisernen Sparaxt sank das Haushaltsdefizit in 2013 auf überraschende 4,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) – der Sparerfolg war damit größer als vorausgesagt. Die Wirtschaft wächst wieder zaghaft, vor allem Exporte und Tourismus boomen. Aber die weiter steigende öffentliche Gesamtverschuldung, die inzwischen auf 130 Prozent des BIP sprang, signalisiert, dass der Leidensweg noch lange nicht beendet ist.

„Die Krise zerstört das Land“, glaubt Mário Soares, Portugals Symbolfigur der Demokratie. Der 89-jährige Sozialist war der erste frei gewählte Ministerpräsident nach der Revolution und ist jetzt einer der größten Kritiker des obersten portugiesischen Sparkommissars Passos Coelho. Von den Träumen der damaligen Freiheitskämpfer sei heute nicht mehr viel übrig, befindet er traurig und warnt: „Die Sparsamkeit tötet.“

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