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Politik: 500000 gegen Schröders Agenda

Demonstrationen in Berlin, Köln und Stuttgart / DGB-Chef Sommer: Kein Schulterschluss mit der Regierung

Von Matthias Meisner

Berlin. Rund eine halbe Million Menschen haben am Samstag bei Großkundgebungen in Berlin, Stuttgart und Köln gegen Sozialabbau protestiert. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sprach in Berlin von einem „klaren Signal an die Herrschenden“. In Anspielung auf den Versuch der SPD, das Verhältnis zu entspannen, sagte er: „Auf der Basis der Agenda gibt es keinen Schulterschluss.“ Es waren die größten Demonstrationen gegen die rot-grüne Reformpolitik. Allein an der Kundgebung in Berlin nahmen nach Gewerkschaftsangaben etwa 250 000 Menschen teil. Auch in anderen Städten Europas gingen Hunderttausende auf die Straße.

Von Matthias Meisner

und Flora Wisdorff

DGB-Chef Sommer sagte, er wisse, dass Union und FDP keine Alternative seien und den Sozialstaat gänzlich schleifen wollten. Er appellierte aber an die SPD, „endlich“ für sozialen Ausgleich zu sorgen und gegen die Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen, wie sie es im Wahlkampf versprochen habe. „Sozialabbau ist Mist. Lasst es einfach sein“, rief er unter dem Beifall der Demonstranten. Zu den Protesten aufgerufen hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Kirchen. Die Teilnahme an den Demonstrationen überstieg die Erwartungen der Veranstalter, die im Vorfeld Voraussagen zu den Teilnehmerzahlen vermieden hatten. Zuletzt hatten Anfang November rund 100 000 Menschen gegen die Reformen von Rot-Grün demonstriert.

Der Generalsuperintendent der Evangelischen Kirche für Berlin, Martin Michael Passauer, forderte, den „Skandal der Demütigung“ von Arbeitslosen und Armen beim Namen zu nennen. „Wer protestiert, gibt sich nicht zufrieden“, rief er zu weiterem Widerstand auf. Ilona Plattner vom Attac-Koordinierungskreis Deutschland sagte: „Mit der Agenda 2010 übertrifft die rot-grüne Bundesregierung alles, was sich ihre Vorgänger jemals geleistet haben.“ Noch nie sei eine Bundesregierung so den Reichen zu Diensten gewesen wie die jetzige. Auch der SPD-Linke Ottmar Schreiner sprach in Berlin, vermied aber direkte Angriffe gegen Kanzler Gerhard Schröder und seine Regierung. Deutschland müsse nach Jahrzehnten der Umverteilung von unten nach oben und in der Folge hoher Massenarbeitslosigkeit „den umgekehrten Weg probieren“, sagte er.

In Köln sagte IG-Metall-Chef Jürgen Peters, die Agenda 2010 spalte die Gesellschaft. Verdi-Chef Frank Bsirske warnte in Stuttgart erneut vor einer Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst. Sein Sprecher Harald Reutter sagte dazu dem Tagesspiegel am Sonntag, dass es im Mai „noch keine echten Streikaktionen“ geben werde. Streiks werde es erst Ende des Jahres geben, wenn die Verhandlungen zur Tarifrunde 2005 starten würden. Die hessische Landesregierung ermahnte den Gewerkschaftschef: „Bsirske muss aufpassen, dass sich die Verdi-Führung nicht zu weit von den Beschäftigten entfernt, die sehr wohl um die Lage der öffentlichen Haushalte wissen und dass ein fester Arbeitsplatz angesichts der Lage in der freien Wirtschaft verdammt viel wert ist“, sagte ein Sprecher von Ministerpräsident Roland Koch.

Der Aktionstag war europaweit koordiniert. In Rom demonstrierten Hunderttausende ältere Menschen gegen die Rentenreform der dortigen Regierung. Protestmärsche gab es auch in Brüssel, vielen französischen Städten, in Ljubljana und Athen.

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