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Abgabenpolitik: Waigel kritisiert Unionspläne im Steuerstreit

In der Union wird weiter über die Steuerpolitik gestritten. Die SPD freut sich - fürchtet aber zugleich Krach in den eigenen Reihen.

Spätestens bis zum Montag muss wieder Einigkeit herrschen in der Union, denn dann will die Partei ihr Wahlprogramm bei einem Wahlkongress vorstellen. Am Sonntag soll es von den Präsidien beider Parteien verabschiedet werden. Doch vorerst ist von Harmonie wenig zu merken. Während sich die Unionsspitze am Samstag erneut bemühte, die von Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger in den vergangenen Tagen ausgelöste Debatte um eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auszutreten, preschte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) bereits mit einem neuen Vorschlag vor.

Er sprach sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag für einen höheren Spitzensteuersatz aus. "Bei immer weniger Menschen sammelt sich ein immer größeres Vermögen. Das kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht aushalten", sagte Böhmer. Er habe nichts gegen höhere Steuersätze für Spitzenverdiener wie Manager oder Fußballstars. Damit schloss Böhmer sich den von der Union bislang scharf kritisierten Plänen der SPD an.

Diese stehen in erklärtem Gegensatz zu dem Wahlprogramm, das Steuersenkungen in Höhe von 15 Milliarden Euro vorsieht. Auch eine Überprüfung des Mehrwertsteuersystems wird darin angeregt. Während ein Teil der Union für Gaststätten und Hotellerie einen verminderten Satz einführen will, will Oettinger diese Reduzierung durch eine Erhöhung des reduzierten Satzes von sieben auf 9,5 Prozent bei Lebensmitteln, Büchern und Tierfutter gegenfinanzieren.

Merkel betonte am Wochenende erneut, dies komme mit ihr nicht in Frage. "Jede Diskussion über die Mehrwertsteuer ist schädlich für die Konjunktur", sagte Merkel der Bild am Sonntag. Dies gelte sowohl für den vollen wie den reduzierten Satz.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer schloss jede Art von Steuererhöhung in einer Regierung mit CSU-Beteiligung kategorisch aus. Der Bild am Sonntag sagte Seehofer auf die Frage nach der Diskussion in der Union um eine Mehrwertsteuererhöhung: «Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, wenn darin eine höhere Mehrwertsteuer enthalten ist.» Seehofer machte deutlich, dass die Absage für Steuererhöhungen für die ganze nächste Legislaturperiode gilt. Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Keine Einigung gibt es zwischen den Schwesternparteien dagegen über die Frage, ob das Wahlprogramm ein konkretes Datum für die Steuersenkungen enthalten soll, wie dies die CSU fordert. Die CDU will es dagegen bei der Formulierung belassen, diese seien eine Aufgabe für die kommende Legislaturperiode.

Seehofer kündigte deswegen an, die CSU werde einen eigenen Wahlaufruf verabschieden, der mit 2011 und 2012 konkrete Jahresdaten für die geplante zweistufige Steuersenkung enthalten werde. Der Wahlaufruf sei aber "kein Gegenentwurf zum Wahlprogramm".

Kritik an den Steuerversprechen der Union übte dagegen der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU). "Mann muss den Wählern einfach sagen, dass eine Steuerreform sich nicht selbst finanziert, sondern nur zu einem Drittel», sagte er dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Für die fehlenden zwei Drittel müsse die Regierung eine Finanzierung erarbeiten, entweder durch höhere Steuern, Einsparungen oder eine Mischung aus beidem. «Es kann nicht sein, dass dauerhafte Steuersenkungen durch Schulden finanziert werden.»

Unterstützung erhielt Waigel von führende Rechtsexperten. «Sollten kreditfinanzierte Steuersenkungen tatsächlich Gesetz werden, wären sie ohne Zweifel grundgesetzwidrig», sagt Joachim Wieland, Verfassungsrechtler an der Verwaltungshochschule Speyer. Sein Kollege Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in Berlin sagt: «Steuersenkungen auf Pump widersprechen dem Geist und den Buchstaben der Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert ist.»

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Wahlaussagen der Union als Wählertäuschung. «CDU und CSU wollen die Menschen einlullen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Beide Parteien versprächen massive Steuersenkungen, eine Erhöhung des Kindergeldes und gleichzeitig auch noch, weniger Schulden zu machen. «Wer soll das denn glauben? Ich bin sicher, dass die Union dafür bei der Bundestagswahl am 27. September einen hohen Preis zahlt», so der Außenminister.

Gleichwohl ist sich die SPD offenbar bewusst, dass auch ihr ein äußerst schwieriger Wahlkampf bevorsteht. SPD-Chef Franz Müntefering und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wollten ihre Partei angesichts der schlechten Umfragewerte zu Geschlossenheit und Disziplin ermahnen, berichtet der Spiegel. Entsprechende Appelle seien sowohl für das Präsidiumstreffen am Montag sowie für die SPD-Fraktionssitzung am Dienstag geplant. Damit solle vor allem parteiinternen Streitigkeiten in der Sommerpause vorgebeugt werden.

Das SPD-Führungsduo befürchte wegen der anhaltend schlechten Werte bei verschiedenen Meinungsforschungsinstituten eine öffentlich geführte Debatte über die Wahlkampfstrategie, schreibt das Blatt weiter. Intern hätten in den vergangenen Tagen vor allem Vertreter der Partei-Linken bereits schärfere Attacken der SPD-Führung gegenUnion und FDP angemahnt. Steinmeier und Müntefering wollten hingegen erst ab Anfang August in die heiße Wahlkampfphase einsteigen.

ZEIT ONLINE, dpa

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