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Verfeindet.  Anhänger und Gegner Mursis liefern sich immer wieder Straßenschlachten. Dutzende wurden verletzt, neun Menschen starben am Dienstag. Am Mittwochmorgen waren mindestens zwei weitere Anhänger des gestürzten Präsidenten tot. Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht abzusehen.

© AFP

Ägypten: Versöhnung unter Beschuss

Während die Revolutionäre auch weiterhin das Ende der islamistischen Regierung feiern, fordern Mursis Anhänger seine Freilassung – mit Gewalt.

Bei der Explosion einer Bombe vor einer Polizeiwache in der ägyptischen Provinz Dachalia ist am Mittwoch ein Mensch getötet worden. 17 weitere Personen seien verletzt worden, teilten das Gesundheitsministerium und Sicherheitskreise mit. Unbekannte hätten den Sprengsatz von einem fahrenden Auto aus auf die Wache in der Provinzhauptstadt Mansura geworfen, verlautete aus den Sicherheitskreisen. Die Provinz Dachalia liegt nördlich von Kairo. In der Hauptstadt wurden am frühen Mittwochmorgen bei Krawallen zwei Menschen getötet. Das teilten die Muslimbruderschaften auf ihrer Internet-Seite mit. Auch in Sicherheitskreisen war von zwei Toten die Rede. Anhänger des gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi hatten sich erneut versammelt und seine Freilassung gefordert.

Am Montag hatte die Familie von Mohammed Mursi dem Militär vorgeworfen, der gestürzte Präsident sei gekidnappt worden. Am Dienstag eskalierte die Gewalt in Kairo erneut. Bei Krawallen zwischen Mursi-Gegnern und Mursi-Befürwortern starben Dienstagfrüh nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens neun Menschen, mehr als 80 wurden verletzt. Beide Seiten setzten Messer, Pistolen und Schrotflinten ein. Am Abend zuvor hatte der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansur die Bevölkerung eindringlich zur Versöhnung aufgerufen.

Ägypten feierte am Dienstag den 61. Jahrestag des Putsches der „Freien Offiziere“ unter Führung von Gamal Abdel Nasser gegen den letzten König Farouk im Jahr 1952. „Es ist höchste Zeit, sich zusammenzufinden und miteinander auszusöhnen, um eine Nation ohne Rache und Hass aufzubauen“, erklärte Mansur in seiner Fernsehansprache.

Mursis Familie dagegen erhob schwere Vorwürfe gegen die Armee. „Wir klagen Abdel Fatah al Sisi und die anderen Putschführer an, den Bürger und Präsidenten Mohammed Mursi entführt zu haben“, sagte Mursis Sohn Osama in Kairo.

Die Rufe, Mursi freizulassen, werden lauter

Auch aus dem westlichen Ausland werden die Rufe lauter, Mursis Arrest zu beenden. Die Außenminister der Europäischen Union forderten in einer Erklärung ausdrücklich „die Freilassung aller politischen Häftlinge, Mohammed Mursi eingeschlossen“. Zugleich verlangten sie erneut Wahlen und den Übergang zu einer zivilen Regierung in Ägypten. Auch die Vereinigten Staaten forderten ein Ende aller politisch motivierten Festnahmen und Inhaftierungen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, fügte hinzu, alle Parteien sollten die Freiheit haben, an der Gestaltung der politischen Zukunft des Landes mitzuwirken.

Mursi war am 3. Juli nach Massenprotesten gegen seine islamistische Herrschaft vom Militär gestürzt worden. Seitdem halten ihn die Generäle „zu seiner eigenen Sicherheit“ an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage in Haft. Weder Angehörige noch Anwälte hatten in den vergangenen drei Wochen Zugang oder Kontakt zu ihm. Die Familie wolle nun juristisch gegen die Gefangennahme vorgehen, sagte Mursis Tochter Schaimaa. Man wolle zudem erreichen, dass sich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag mit dem Fall befasse.

Die Ausschreitungen am Dienstag konzentrierten sich vor allem auf die Viertel um den Tahrir-Platz und den Ennahda- Platz in Giza vor der Universität Kairo, wo die Muslimbrüder ähnlich wie bei der Rabaa-Adawiya-Moschee in Nasr City seit dem Sturz Mursis lagern. Die Straßen haben sie mit Barrieren aus Steinen und Sandsäcken abgesperrt. Videos zeigen junge Männer, die von den Rändern des Platzes mit Schrotflinten auf das Lager der Pro-Mursi-Anhänger feuern. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die beiden Seiten zu trennen. Das Oppositionsbündnis „Nationale Rettungsfront“ beschuldigte die Muslimbrüder, für die wachsenden Spannungen verantwortlich zu sein. Man verurteile die „fortgesetzten Angriffe der Muslimbrüder auf friedliche Protestierer in Kairo, Alexandria und anderen Städten“, hieß es in einer Erklärung.

Im Norden des Sinai griffen Dschihadisten erneut mehrere Polizeiwachen an. Am Dienstag beschossen sie eine Rundfunkstation und nahmen den Polizeiklub in der Provinzhauptstadt Al Arisch unter Feuer. Ein Soldat wurde getötet, eine Passantin verletzt. Die Armee hat vor einigen Tagen mit einer Militäroffensive begonnen, um die Extremisten in den Griff zu bekommen. (mit Reuters)

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