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Politik: Affären um Wulff beschäftigen nun Justiz Niedersachsens Staatsgerichtshof verhandelt erstmals

Glaeseker „irritiert“ über Aussage des Ex-Präsidenten.

Hannover - Nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover erstmals Ex-Bundespräsident Christian Wulff im Verfahren gegen dessen früheren Sprecher Olaf Glaeseker vernommen hat, meldet sich dieser über seinen Rechtsbeistand zu Wort. Rechtsanwalt Guido Frings sagte der „Bild am Sonntag“, er sei „in hohem Maße irritiert“, dass Wulff von Glaesekers Sponsorensuche für die High-Society-Partys „Nord-Süd-Dialoge“ und die dafür vom Veranstalter Manfred Schmidt erhaltenen Gratisurlaube nichts gewusst haben will.

Das Thema beschäftigt auch den niedersächsischen Staatsgerichtshof. Am Freitag verhandelt das höchste Gericht des Landes auf Klage der SPD über einen möglichen Verfassungsverstoß der CDU/FDP-Landesregierung bei der Aufarbeitung der Affären Wulffs. Falsch-Information des Parlaments über den umstrittenen „Nord-Süd-Dialog“ 2009, mit dem sich der damalige CDU-Ministerpräsident Wulff glanzvoll in Szene zu setzen versuchte, lautet der Hauptvorwurf der Genossen an die Regierung und Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Der hatte – als eine Art Ausputzer für seinen Ex-Chef – im Januar dem Landtag über zahlreiche Facetten der von dem privaten Partymanager Manfred Schmidt organisierten Promi-Sause auf dem Flughafen Hannover berichtet, aber eben auch brisante Details etwa über den kostenlosen Einsatz von 44 Studenten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) als Servicekräfte ausgelassen. Ob absichtlich, fahrlässig oder gutgläubig nach bestem Wissen und Gewissen – das werden die Richter in Bückeburg zu klären haben. Ein Urteil wird für Herbst erwartet. Echte Sanktionen gegen die amtierende Landesregierung können dabei nicht herausspringen, aber eine höchstrichterliche Rüge würde der SPD Munition vor der Landtagswahl im Januar 2013 liefern.

Ein möglicherweise viel größerer Verfassungsverstoß durch den ehemaligen Regierungschef steht vor dem Staatsgerichtshof nicht zur Debatte: Wulffs eigenmächtige Umkehr eines Kabinettsbeschlusses zugunsten der Versicherungswirtschaft. Ende 2007 hatte sich die schwarz-gelbe Ministerriege darauf verständigt, gewisse Steuererleichterungen für die Assekuranzen im Bundesrat abzulehnen. Auf persönliche Intervention Wulffs stimmten die Vertreter Niedersachsens in der Länderkammer dann plötzlich doch für den Vorstoß – nachdem der Ministerpräsident einen entsprechenden Bittbrief der zum Talanx-Konzern gehörenden Hannover Rück erhalten hatte. Pikant: Wenige Monate später flitterte das frisch vermählte Ehepaar Christian und Bettina Wulff im italienischen Feriendomizil von Talanx-Aufsichtsratschef Wolf-Dieter Baumgartl.

Dass der Regierungschef damit die verfassungsrechtlichen Befugnisse seiner Minister missachtet hat, werden diese jetzt kaum vom Staatsgerichtshof beleuchten lassen wollen. Dafür aber interessiert sich die Staatsanwaltschaft Hannover für den Vorgang. Gefälligkeiten gegen Gegenleistungen? „Wir prüfen derzeit, ob hier auch ein Anfangsverdacht vorliegt“, erklärt Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel. Bislang ermittelt die Behörde gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, weil er sich 2007 vom Film-Unternehmer David Groenewold Übernachtungen in einem Sylter Luxushotel bezahlt haben lassen soll. Peter Mlodoch

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