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Hindukusch: Afghanistan: Ansätze für den Frieden

Deutschland will die Entwicklungshilfe für Afghanistan erhöhen, doch der Krieg vertreibt die Helfer aus dem Norden.

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Berlin - Die Bundesregierung rüstet sich für die Afghanistan-Konferenz – und pokert dabei hoch. Statt mehr Soldaten will Berlin bei den eintägigen Beratungen Ende Januar in London anbieten, die Entwicklungshilfe für Afghanistan zu verdoppeln und 100 weitere Polizeiausbilder zur Verfügung zu stellen. Die USA, die selbst 30 000 neue Soldaten an den Hindukusch schicken werden, haben von ihren europäischen Partner eigentlich erwartet, dass sie ihre Truppenkontingente ebenfalls deutlich erhöhen. Deutschland muss sich daher auf harte Auseinandersetzungen gefasst machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht vorab offenbar, wenigstens die Kritiker im eigenen Land ins Boot zu holen. Vergangenen Montag traf sie sich zu einem Sondierungsgespräch mit SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, um ihre Strategie mit der SPD abzustimmen. Steinmeier habe eine Zustimmung für ein neues Afghanistan-Mandat in Aussicht gestellt, falls die Bundesregierung ein Gesamtkonzept für den zivilen Aufbau vorlege und auf eine Erhöhung der Kampftruppen verzichte, berichteten „Süddeutsche Zeitung“ und „Rheinische Post“. Dem kommen die erst kürzlich offenbarten Regierungspläne sehr nahe.

Noch ist allerdings nicht klar, ob der Fraktionschef die Mehrheit der SPD-Abgeordneten hinter sich hat, und Merkel ihrem Ziel eines koalitionsübergreifenden Bundestagsbeschlusses nach dem Treffen mit Steinmeier tatsächlich näher gekommen ist. Schließlich beginnt der SPD-Vorstand seine Strategiegespräche erst an diesem Wochenende; auch eine Afghanistankonferenz der SPD steht noch bevor. Es gilt, weite Parteikreise zu überzeugen, dass ein zu rascher Abzug der Soldaten keine Lösung ist. Dazu passen Meldungen von heimlichen, quasi großkoalitionären, Treffen mit der Kanzlerin überhaupt nicht. Aus dem Umfeld Steinmeiers hieß es am Samstag, man sei „irritiert“ ob der Berichte über das Gespräch des Fraktionsvorsitzenden mit der Bundeskanzlerin. Steinmeier und Gabriel hätten schon vor Wochen betont, dass es für die SPD ganz klare Grundvoraussetzungen für eine Zustimmung zu einer Mandatsveränderung gäbe. Es stünde fest, dass man eine klare Abzugsperspektive brauche. Klar sei aber auch: Die SPD werde ihre Position endgültig auf ihrer Afghanistankonferenz in der kommenden Woche und in Partei- und Fraktionsvorstand klären. Vorher werde es keine verbindlichen Vereinbarungen zwischen Regierung und Opposition geben können.

Praktiker machen sich dennoch bereits Gedanken, wie die zusätzliche Aufbauhilfe für Afghanistan sinnvoll eingesetzt werden könnte – und warnen schon einmal vor überhasteten Entscheidungen: „Nachhaltige Hilfe muss sorgfältig geplant werden“, sagt Joachim Bönisch von der Welthungerhilfe. Wenn schnell große Summen umgesetzt werden sollten, könne dies allenfalls mit Infrastrukturprojekten geschehen, durch den Bau von Straßen und Brücken etwa. Die Planung eines Landwirtschaftsprojekts hingegen könnte mehrere Jahre in Anspruch nehmen, denn nur wenn lokale Autoritäten und die Bevölkerung selbst in Entscheidungen einbezogen würden, fruchte Hilfe auch.

Da rund 80 Prozent der afghanischen Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, kommt diesem Sektor besondere Bedeutung zu. Erfolgversprechende Ansätze gibt es bereits. So hätte sich gezeigt, dass neue Anbaumethoden auf den Reisfeldern zu deutlichen Erntesteigerungen führen könnten, berichtet Bönisch. Und auch der traditionelle Pistazienanbau sei ausbaufähig. „Afghanische Pistazien haben eine deutlich höhere Qualität als beispielsweise iranische und lassen sich daher gut vermarkten.“

Daran könnte man anknüpfen – wenn die Sicherheitslage es zuließe. Seit die Nachschubkonvois der Nato durch den Norden Afghanistans rollen, ist auch der einst eher ruhige Teil des Landes zum Kampfgebiet geworden. Auch die Helfer sind dabei ins Visier der Aufständischen geraten. Allein die Welthungerhilfe hat im Norden Afghanistan drei Mitarbeiter verloren. „Als deutsche Organisation sind wir zu stark mit der deutschen Intervention in Zusammenhang gebracht worden“, sagt Bönisch. Viele Organisationen haben sich aus dem Gebiet zurückgezogen. Die Welthungerhilfe hatte ihre Arbeit zunächst von Kundus nach Talokan, rund 1,5 Autostunden weiter östlich, verlagert, doch auch die Projekte dort laufen in wenigen Monaten aus und sollen nicht verlängert werden. „Unsere Arbeit kann nur in einem befriedeten Gebiet funktionieren“, so Bönisch. Er sieht keine Alternative, als Verhandlungen mit den Aufständischen zu führen. „Eine Ausweitung des militärischen Engagements, wie es die USA planen, wird nicht zum Erfolg führen. Das lehrt auch die Geschichte früherer Kriege in Afghanistan.“

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