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Vorgezeigt. Soldatinnen der jemenitischen Antiterrortruppe beim Üben.

© Katharina Eglau

Al Qaida im Jemen: Spezialtruppe und Spezialhochschule

Wie das Land den Terror bekämpft und mit dessen Hintermännern umgeht. „Die Zahl der Einsätze gegen Al Qaida ist gestiegen“, sagt einer der Vermummten des Elitekommandos. „Jede Operation wird von unseren ausländischen Trainern beobachtet und ausgewertet.“

Jedes Mal antwortet krachend eine Gewehrsalve, wenn die orangenen Punkte im Geröll aufblitzen. Die kleinen Lichter simulieren Mündungsfeuer von Terroristen, verteilt auf dem hügeligen Trainingsgelände vor den Toren der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Die letzten Wohnhäuser liegen zwei Kilometer entfernt. Über den Köpfen dröhnt ein Düsenjäger. Auf einem der kargen Bergrücken sucht eine Handvoll Ziegen meckernd das Weite. Mal hockend, mal sitzend, mal stehend zielen die jungen Frauen, geben sich Deckung, ihre schwarzen Kopftücher klemmen unter tarnfarbenen Uniformmützen aus US-Beständen. Fünfmal die Woche trainiert hier die jemenitische Anti-Terror-Einheit – zehn Frauen und knapp 200 Männer. Geübt wird in kleinen Gruppen unter Anleitung von britischen und amerikanischen Ausbildern: Angriffe mit Gewehren und Pistolen, Häuserkampf sowie Rückzug mit Verwundeten. Nach jedem Durchgang zählt ein Trainer die Einschüsse in den Pappterroristen.

Britische und amerikanische Ausbilder helfen

Seit 2003 existiert das Elitekommando. Mit den Jahren ist auf dem steinigen Militärareal sogar eine kleine Tribüne für gelegentliche Staatsgäste hinzugekommen. „Die Zahl der Einsätze gegen Al Qaida ist gestiegen“, sagt einer der Vermummten. „Jede Operation wird von unseren ausländischen Trainern beobachtet und ausgewertet.“ Geübt wird mit älteren Kalaschnikows. Man habe aber auch moderne amerikanische M4-Gewehre, versichern die Schützen, die alle zwischen 17 und 24 Jahre alt sind. Die besten von ihnen dürfen in die USA zum Spezialtraining. Untergebracht ist die Antiterrortruppe in einer weitläufigen Kaserne direkt gegenüber der neuen, monumentalen Ali-Abdullah-Saleh-Moschee im Zentrum der Hauptstadt. Gepanzerte Humvees mit aufgepflanzten Maschinengewehren stehen in den Hallen, Toyota- Jeeps in Tarnfarben, aber auch weiße, zivile Geländewagen. Unter freiem Himmel rosten mit fast platten Reifen zehn betagte sowjetische BTR-Truppentransporter, „unsere Einsatzreserve“, wie einer der Offiziere witzelt.

Der Kommandant der Soldatinnen, Brigadegeneral Yahya Mohammed Abdullah Saleh, ein Neffe des Präsidenten.
Der Kommandant der Soldatinnen, Brigadegeneral Yahya Mohammed Abdullah Saleh, ein Neffe des Präsidenten.

© Katharina Eglau

Nachdem letztes Weihnachten ein von Al Qaida im Jemen angeworbener nigerianischer Sprachschüler versucht hat, einen amerikanischen Airbus 330 über Detroit zum Absturz zu bringen, wächst der internationale Druck, endlich hart und konsequent gegen das auf 500 bis 1000 Gotteskämpfer geschätzte Terrornetz vorzugehen. Seitdem agiert Jemens Führung betont offensiv und tatkräftig – verkörpert durch Brigadegeneral Yahya Mohammed Abdullah Saleh. Er kommandiert die Spezialtruppen, ist gleichzeitig Neffe und Vertrauter von Staatspräsident Ali Abdullah Saleh. Jovial, untersetzt und stets mit einem breiten Lächeln unter seinem Schnauzbart, präsentiert er sich als oberster Hüter der inneren Sicherheit. „Al Qaida ist so gut wie besiegt“, protzt er. „Wenn wir sie aufspüren, bleiben ihnen nur zwei Möglichkeiten: sich zu ergeben oder zu sterben.“ Die Einsätze seien zu 99 Prozent erfolgreich und alle statistisch erfasst, fügt er hinzu – genaue Zahlen allerdings will er nicht nennen.

Seine Botschaft klingt eindeutig, wie die aller Regierungsvertreter, die derzeit offiziell in Mikrofone sprechen: Jemen hat die Lage im Griff, die Besorgnisse des Auslands sind übertrieben. „Al Qaida hat die emotionale Unterstützung der Bevölkerung weitgehend verloren“, versichert auch Außenminister Abubaker Abdulla al Qirbi. „Die Leute kapieren inzwischen, dass Al Qaida nur Zerstörung bedeutet.“ Wichtiger als Polizei und Militär ist jedoch in seinen Augen, etwas gegen die Radikalisierung der Bevölkerung insgesamt zu unternehmen. „Das bedeutet Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit. Das bedeutet aber auch Kampf gegen radikale Ideen im Erziehungswesen, was bei uns bisher viel zu kurz gekommen ist“, sagt er.

Kritik an der Imam-Universität wird nur verhalten geübt

Radikale Erziehung in Sanaa – das weitläufige Vorzeigeprojekt hierfür liegt im Westen der Stadt, gut bewacht und komplett umzäunt. Der Campus der sogenannten Imam-Universität besteht aus drei Fluchten schmuckloser Kastenhäuser, in denen Hörsäle, Büros und Wohnheime untergebracht sind. Als Moschee dient eine 400 Meter lange Blechdachhalle mit Neonröhren. 3000 Studenten finden auf den endlosen grünen Teppichbahnen Platz. Gründer und Chef ist Scheich Abdel-Majid al Zindani, den die USA und die Vereinten Nationen verdächtigen, ideologischer Ziehvater von Al-Qaida-Rekruten zu sein. Zwei Jahre lang hat Zindani als junger Mann in Kairo Pharmakologie studiert, bevor er die Brocken hinwarf und sich dem Koran zuwandte. Heute ist der rotbärtige theologische Autodidakt der mächtigste Prediger im Jemen. Jedes Semester steuert er eine Vorlesung über „Wunder im Koran“ bei und behauptet, russische Techniker hätten bei einer Tiefbohrung in Sibirien – angelockt durch Schmerzensschreie – den Schlund der Hölle entdeckt.

1994 gegründet, war die Imam-Hochschule Ergebnis eines für Jemen typischen politischen Kompromisses. Staatschef Saleh brauchte damals die besonders skrupellosen Gotteskrieger, um den Aufstand des Südens gegen die Wiedervereinigung 1990 militärisch niederzuschlagen. Nach dem Sieg forderten dann deren geistliche Führer ihren Preis – ein Grundstück und eine Lizenz für eine Privatuniversität. Heute lehren hier 200 Professoren, Studiengebühren gibt es nicht, die Curricula unterliegen keinerlei Kontrolle durch das Erziehungsministerium. Die meisten der 6000 Studenten kommen aus dem Jemen, viele aber stammen auch aus Somalia, Äthiopien, Saudi-Arabien, Indonesien und Malaysia.

Ein Student sitzt in der Moschee der Imam-Hochschule.
Ein Student sitzt in der Moschee der Imam-Hochschule.

© Katharina Eglau

Von Anfang an dabei war Politikwissenschaftler Ismail al Sohaily. Die Universität konzentriere sich auf islamische Erziehung, versichert er in seinem kargen Büro. „Wir sind keine Terroristenschmiede. Auch machen wir kein militärisches Training.“ In seinem Blechregal steht eine zweibändige Ausgabe der „Protokolle der Weisen von Zion“, einem antisemitischen Hetzwerk, genauso wie eine ungelesene arabische Version von Henry Kissingers Buch „Diplomatie“.

Bis in die höchste Regierungsspitze hinein wird an Zindanis Lehranstalt scharfe Kritik geübt, aber nur hinter vorgehaltener Hand. Mit Namen zitiert werden möchte keiner, wenn er den Campus „eine Brutstätte für radikales Gedankengut“ nennt, die „eine Erziehung zur Intoleranz“ praktiziere. Neue radikale Eliten würden hier herangezogen – ein islamistisches Generationenprojekt zum Schaden des Jemen. Auch Präsident Saleh wagt es nicht mehr, die fanatischen Propheten in die Schranken zu weisen, „weil diese und ihre Anhänger das ganze Staatsschiff zum Kentern bringen könnten“, wie einer seiner Berater formuliert. „Detroit hat uns wachgerüttelt, Al Qaida aber ist nur die Spitze des Eisberges“, bilanziert ein junger Intellektueller. Die Gesellschaft habe der militanten, religiösen Intoleranz nichts entgegenzusetzen. „Wenn du am Tag etwas gegen sie schreibst und ihnen das Monopol zur Auslegung des Islams streitig machst, dann musst du schon am Abend um dein Leben fürchten.“

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