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„Preiswelle faktisch nicht mehr abzuwenden“: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

© Imago/Political-Moments

Update

„Die kriegst du nicht, Alter“: Habeck lehnt finanzielle Anreize für das Gassparen ab

Der Wirtschaftsminister appelliert an die Solidarität der Bürger, Energie zu sparen. Die „Preiswelle“ sei „faktisch nicht mehr abzuwenden“, sagt Habeck.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnt finanzielle staatliche Anreize fürs Gassparen ab. In dieser ernsten gesellschaftspolitischen Situation müsse man sich gegenseitig helfen, sagte er im ZDF-„heute journal“ am Donnerstagabend. „Und wenn da einer sagt, ich mach nur mit, wenn ich 50 Euro kriege, würde ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter.“

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Habeck appellierte stattdessen an die Solidarität der Bürger, Energie zu sparen: „Menschen sollen sich nicht fragen müssen, was sie kriegen, sondern sie sollen es tun, weil sie Bock haben, in diesem Land zu leben, weil sie Stolz und Freude dabei empfinden, für andere etwas zu tun“, sagte er dem „Spiegel“.

Habeck nannte sogar konkrete Möglichkeiten, wie Energie gespart werden könne. „Es ist sinnvoll, jetzt im Sommer bei der Heizung einen hydraulischen Abgleich zu machen, damit die Wärme besser verteilt wird – das spart rund 15 Prozent Energie und Kosten. Und im Winter ein Grad runterdrehen bringt noch mal 6 Prozent weniger“, sagte Habeck. „Bei 41 Millionen Haushalten wird aus diesen kleinen Dingen etwas Großes.“

Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rief zum Energiesparen auf. „Jeder und jede in der Industrie und privat kann eben dazu beitragen - und ja, dazu gehört auch der Pulli, der Duschkopf, die Heizung ein bisschen runterstellen, all das hilft“, sagte er am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Bürger sollten Geld zurücklegen und Richtung Herbst mit den Vermietern reden. „Jetzt kann man noch etwas tun.“

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Müller hält eine Verdreifachung der Verbraucherpreise für Gas für möglich. „Wenn man es hochrechnet, kommt es sehr darauf an, wie Sie heizen, wie Ihr Gebäude gebaut ist. Aber es kann zu einer Verdreifachung der bisherigen Gasrechnung kommen“, sagte Müller den Sendern RTL/ntv.

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Nach der drastischen Verringerung der Gaslieferungen aus Russland infolge des Ukraine-Kriegs hatte die Regierung am Donnerstag die Alarmstufe im sogenannten Notfallplan Gas ausgerufen. Der Plan hat drei Stufen: Frühwarn-, Alarm- und Notfallstufe. Bei der Alarmstufe liegt eine Störung der Versorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Versorgung führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, dies zu bewältigen.

Im RTL-Nachtjournal hatte Habeck gesagt, die „Preiswelle“ sei „faktisch nicht mehr abzuwenden“. Auf die Frage, ob er befürchte, dass Russland nach einem für Mitte Juli geplanten Wartungsintervall der Gaspipeline Nord Stream 1 gar kein Gas mehr liefern werde, sagte er: „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich befürchte es nicht.“

Im ZDF-„heute journal“ sagte er, dass Russlands Staatspräsident Wladimir Putin mit der schrittweisen Reduzierung der Gasexporte den Plan verfolge, die Preise in Deutschland und Europa hochzuhalten, „um damit gesellschaftliche Unruhe zu steigern“. Die Maßnahmen der Bundesregierung sollten auch der Geschlossenheit der Gesellschaft dienen. „Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht“, sagte Habeck dem „Spiegel“. 

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Auch Bundesnetzagentur-Chef Müller hält die vollständige Einstellung der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 für möglich. „Wir können es nicht ausschließen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Darum habe die Bundesnetzagentur verschiedene Szenarien berechnet. „Die meisten Szenarien sind nicht schön und bedeuten entweder zu wenig Gas am Ende des Winters oder aber schon - ganz schwierige Situation - im Herbst oder Winter.“

Bundesumweltministerin Steffi Lemke betont den Vorrang bestimmter Teile der Gesellschaft bei der Versorgung.

© Martin Schutt/dpa

„Wir sind jetzt schon da, wo Deutschland nie war“, sagte Habeck dem „Spiegel“. „Es wird auf jeden Fall knapp im Winter.“ Wenn das Gas nicht ausreiche, müssten bestimmte Industriebereiche, die Gas benötigen, abgeschaltet werden.

Die Folgen wären aus seiner Sicht, dass Unternehmen ihre Produktion einstellten, ihre Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen müssten und Lieferketten zusammenbrechen. Dadurch würden sich Leute verschulden, um ihre Heizrechnung zu bezahlen. Der Wirtschaftsminister stellte zwar weitere Entlastungen in Aussicht, machte aber keine Hoffnung, „alles auffangen“ zu können.

Lemke betont Vorrang der Privathaushalte bei Gasversorgung

Nach Ausrufung der Gas-Alarmstufe hat Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke den Vorrang bestimmter Teile der Gesellschaft bei der Versorgung betont.

„Für mich ist besonders wichtig, dass in allen Stufen dieses Notfallplans die Versorgung von privaten Haushalten und sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern gesichert ist und sie besonders geschützt sind“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. „Für die Bundesregierung ist es zentral, dass die Energieversorgung in Deutschland gesichert bleibt.“

Lemke nannte die entsprechende Einstufung durch Wirtschaftsminister Habeck eine „harte, aber richtige Entscheidung“. Die Ministerin unterstützte auch Habecks Appell zum Energiesparen. „Hier sind alle gefordert: Unternehmen, öffentliche Einrichtungen genauso wie Privathaushalte.“

Füllstände der deutschen Gasspeicher

© Tagesspiegel

Steigende Energiekosten sorgen auch unter Mietern für Sorgenfalten. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Wir fordern ein Kündigungsmoratorium, das sicherstellt, dass niemandem gekündigt werden darf, der wegen stark gestiegener Heizkosten seine Nebenkostenabrechnung nicht fristgerecht bezahlen kann.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und frühere Verdi-Chef Frank Bsirske spricht sich für einen Gaspreisdeckel aus. „Wir brauchen weitere Entlastungen, konzentriert auf untere und mittlere Einkommen, weil sie von der Preisentwicklung am stärksten betroffen sind“, sagte Bsirske den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Freitag.

„So würde ein Gaspreisdeckel Sinn machen, um den Grundbedarf zu decken. Damit ließe sich zugleich der Verbrauch steuern. Es gäbe also eine ökologische Lenkungswirkung“, sagte Bsirske.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, forderte die Bundesregierungen angesichts der Befürchtung vor weiter steigenden Gaspreisen auf, umgehend „Vorbereitungen für langfristige Hilfen“ zu beginnen. „Zu warten und dann wieder über so etwas wie den Tankrabatt zu reden, ist wirklich absurd“, sagte er den RND-Zeitungen.

Bundesnetzagentur will Akw nicht länger laufen lassen

In der Diskussion um die drohende Knappheit von Gas geht es am Rande auch um eine andere Energieform, und zwar um Atomkraft. In der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ sprach der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner das Akw-Thema an: „Ich wäre auch bereit für eine Diskussion in Deutschland, unsere verbliebenen Kernkraftwerke eine Zeit weiter zu verwenden - um alles zu nutzen, um Preise zu reduzieren.“

Der Netzagentur-Chef Müller hielt davon wenig. „Wir haben keine Stromlücke, sondern wir haben ein Problem mit Gas“, sagte der frühere Grünen-Politiker. „Atomkraftwerke produzieren keine Wärme, sie heizen keine Wohnungen, sondern sie produzieren Strom.“ Es gehe darum, Gas zu beschaffen. Der FDP-Politiker Lindner bekräftigte seinen Standpunkt: „Auch vor dem Hintergrund der Bezahlbarkeit der Energie und unserer Klimaziele macht es Sinn, über Kernenergie zu sprechen.“

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Zuvor hatte der Wirtschaftsflügel der CDU Bundesminister Habeck aufgefordert, einer längeren Laufzeit für die verbliebenen drei Atomkraftwerke in Deutschland zuzustimmen. Bevor Betriebe stillgelegt würden, müsse die Bundesregierung über ihren Schatten springen, sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU, Gitta Connemann, der dpa.

In zwölf Wochen beginne die Heizperiode, warnte die Bundestagsabgeordnete Connemann. „Jetzt darf es keine Tabus mehr geben.“ Habeck solle nicht erklären, sondern er müsse handeln.

Auch der Ökonom Volker Wieland befürwortete eine längere Akw-Laufzeit. „Spätestens jetzt ist es dringend geboten, Erdgas so weit wie möglich aus der Stromproduktion zu nehmen“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Freitag). Die Regierung sollte „alle Möglichkeiten zum Ersatz nutzen“. (Tsp, Agenturen)

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