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Politik: Alle gegen Gysi – zwei Dutzend Afghanen auch

Berlin - Wenn Gregor Gysi nicht gewesen wäre, hätte Fritz Kuhn am Donnerstag wahrscheinlich einen schweren Stand gehabt. Schließlich muss der Grünen-Fraktionschef Kuhn im Bundestag darüber reden, dass sein Parteitag der eigenen Fraktion soeben aufgetragen hat, im Streit um den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr gegen die eigene mehrheitliche Überzeugung zu stimmen.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wenn Gregor Gysi nicht gewesen wäre, hätte Fritz Kuhn am Donnerstag wahrscheinlich einen schweren Stand gehabt. Schließlich muss der Grünen-Fraktionschef Kuhn im Bundestag darüber reden, dass sein Parteitag der eigenen Fraktion soeben aufgetragen hat, im Streit um den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr gegen die eigene mehrheitliche Überzeugung zu stimmen. Aber mit Gysi geht an diesem Morgen die Logik durch.

„Nach sechs Jahren geht jedes fünfte Mädchen in Afghanistan zur Schule“, ruft der Chef der Linksfraktion und schaut zur Regierungsbank in Richtung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der hatte die Zahl vorher als einen Beleg dafür genannt, dass die Verlängerung des Isaf-Einsatzes der Bundeswehr sinnvoll sei, Tornado-Einsatz inklusive. „Das nennen Sie einen Erfolg?“ höhnt Gysi. „Jedes Mädchen muss zur Schule gehen!“ Auf der Ehrentribüne im Plenarsaal hören zwei Dutzend afghanische Abgeordnete der Debatte zu. Etliche schütteln den Kopf.

Von da an ist klar, wer der Buhmann des Tages ist: Nicht die Grünen und ihr Parteitag, sondern Gysi. Redner um Redner fragt den Linkspolitiker, was er denn bitte schön glaube, wie überhaupt irgendein afghanisches Mädchen zur Schule gehen könnte ohne den internationalen Militäreinsatz gegen das Talibanregime? Auch Kuhn erntet beifälliges Nicken bei allen außer der Linksfraktion, als er Gysis Rede als „skurrile Mischung von dummem Zeug“ geißelt. Und er erntet leises Schmunzeln auch bei Union und SPD für seine Retourkutsche auf den Vorwurf der FDP, die Grünen hätten sich mit ihrem Parteitags-Nein zum „Tornado“ als regierungsunfähig erwiesen: Kuhn zählt einfach auf, wie oft die FDP selbst Nein zu Bundeswehreinsätzen gesagt hat, auch schon zwei Mal zum Isaf-Mandat.

Das wird jetzt nicht geschehen. Alle, wiederum bis auf die Linksfraktion, sind sich in der Debatte einig, dass ein Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan nicht infrage kommt. Alle sind sich auch einig, dass ein Strategiewechsel hin zu deutlich mehr zivilem Aufbau nötig ist. Differenzen bleiben, ob dieser Wechsel quasi vollzogen ist – wie es Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) für die Nato in Anspruch nimmt – oder bisher nur in Reden stattfindet. „Sträflich“, sagt etwa Werner Hoyer für die FDP, werde nach wie vor der Polizeiaufbau vernachlässigt. Robert Birnbaum

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