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Politik: Alle Macht den Großen

Die kleinen Mitglieder wehren sich gegen einen EU-Präsidenten

Von Albrecht Meier

Es geht um einen Machtpoker, bei dem derzeit die Zukunft der Europäischen Union entschieden wird – teils in aller Öffentlichkeit wie im Brüsseler EU-Konvent, teils an verschwiegenen Orten wie dem Restaurant „La Truffe Noir“ (Der schwarze Trüffel) in der belgischen Hauptstadt. Dort trafen sich am Mittwochabend Kanzler Gerhard Schröder und der EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, und die beiden sprachen unter anderem über die Kernfrage, die derzeit den EU-Konvent beschäftigt: Soll die Europäische Union künftig von einem mächtigen EU-Ratspräsidenten geführt werden?

Frankreich, Großbritannien und Spanien befürworten einen solchen EU-Präsidenten, der an die Stelle der alle sechs Monate wechselnden EU-Ratspräsidentschaft treten und stattdessen mehrere Jahre amtieren könnte. Die kleineren EU-Staaten befürchten, auf diesem Wege kalt entmachtet zu werden. Luxemburgs Premierminister Jean- Claude Juncker spricht von einem „wenig hilfreichen Vorschlag“.

Deutschland nimmt in der Diskussion eine Schlüsselrolle ein. Die deutschen Vertreter im EU-Konvent fürchten eine Stärkung der Nationalstaaten, die auch den mächtigen EU-Präsidenten einsetzen würden. Im Gespräch für den Posten ist – allen Dementis zum Trotz – der britische Premierminister Tony Blair. Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), einer der deutschen Vertreter im Konvent, spricht denn auch von einem „Kampf Metternich gegen Monnet“ – also zwischen denen, die wieder den Nationalstaaten mehr Macht zurückgeben wollen und denen, die für eine Vertiefung der EU eintreten. Die deutschen Vertreter im EU-Konvent wollen eine weitere Vergemeinschaftung der Europapolitik und haben sich auf die Seite der EU-Kommission geschlagen.

Kanzler Schröder hat sich noch nicht eindeutig festgelegt. Im Sommer erklärte er, der französisch-britische Vorschlag für einen neuen EU-Ratspräsidenten solle im Konvent behandelt werden. Allerdings müsse die Idee im Zusammenhang des europäischen Kräftedreiecks zwischen Kommission, der Ratspräsidentschaft und dem Europaparlament gesehen werden. Mit anderen Worten: Ein machtvoller EU-Präsident darf nicht die Kreise des EU-Kommissionspräsidenten stören.

Auch bei seinem Abendessen mit Prodi vertrat Schröder am Mittwochabend diese Linie. Nach einem Bericht der „Financial Times“ will der Kanzler die Idee aus London und Paris unterstützen, wenn dadurch die EU-Kommission nicht geschwächt werde. Unklar bleibt, wie dabei künftige Reibereien zwischen EU-Präsident und Kommissionschef ausgeschlossen werden sollen.

In einem Punkt scheint sich die Haltung des Kanzlers aber zu bewegen: Schröder teilt die Einschätzung der britischen Regierung, wonach die alle sechs Monate rotierende EU-Präsidentschaft lähmend auf die EU wirke. Der Londoner Außenminister Jack Straw beklagte in einem Beitrag für den „Economist“, dass der Europäische Rat und die Ministerräte alle halbe Jahre eine „Reise nach Jerusalem“ antreten müssten. Straws Urteil über die wechselnde Ratspräsidentschaft: „Dieses Kommen und Gehen kostet Glaubwürdigkeit.“ In die gleiche Kerbe schlug am Freitag auch Schröders Sprecher Bela Anda: Auch er bescheinigte der rotierenden Ratspräsidentschaft „erhebliche Effizienzverluste“.

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