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Politik: Alte Muster, neue Chancen Von Harald Schumann

Der Tsunami traf in Südasien Millionen Opfer, nun geht eine andere Welle um die ganze Welt: Die Menschheit trotzt dem Grauen der tödlichen Mauern aus Wasser mit einer kollektiven Bereitschaft zur Solidarität. Die Bürger öffnen ihr Herz und ihre Brieftasche, Spenden im Wert von zig Millionen Euro gehen Tag für Tag bei den Hilfsorganisationen ein – keineswegs nur in Deutschland.

Der Tsunami traf in Südasien Millionen Opfer, nun geht eine andere Welle um die ganze Welt: Die Menschheit trotzt dem Grauen der tödlichen Mauern aus Wasser mit einer kollektiven Bereitschaft zur Solidarität. Die Bürger öffnen ihr Herz und ihre Brieftasche, Spenden im Wert von zig Millionen Euro gehen Tag für Tag bei den Hilfsorganisationen ein – keineswegs nur in Deutschland. Die Briten etwa brachten schon doppelt so viel Spendengeld auf wie die Deutschen, obwohl das Vereinigte Königreich 20 Millionen weniger Bewohner hat. Angespornt durch ihre Bürger haben auch die Regierungen der Wohlstandssphäre des Planeten mittlerweile erkannt, dass sie dieser Katastrophe entschlossen und mit allen verfügbaren Mitteln begegnen müssen. 500 Millionen Dollar aus Japan, 400 Millionen aus der Europäischen Union, 350 Millionen aus den USA, das sind nur die drei Spitzenpositionen der Liste der Geberländer. Schon eine Woche nach der Flut stehen so, zumindest auf dem Papier, zwei Milliarden Dollar bereit, um den Überlebenden zu helfen.

All das demonstriert die Sehnsucht nach einem weltweit koordinierten menschlichen Umgang mit dem Elend, das die Fernsehbilder immer näher bringen. Und es ist durchaus denkbar, dass dies dereinst als Beginn einer neuen Weltinnenpolitik gewertet wird. Gewiss, die globale Hilfsaktion folgte zunächst dem unproduktiven Muster von gestern. Der oft tollpatschige USPräsident verhakte sich im Kompetenzstreit mit den Uno-Fachleuten. Frankreichs Premier reklamierte kleinkariert die Rolle seines Landes als Europas größter Spender und selbst der luxemburgische Außenminister fühlte sich berufen, die Großmächte zur Uno-Ordnung zu mahnen.

Doch Klügere wie der scheidende US-Außenminister Colin Powell haben erkannt, dass dieses Ereignis bei allem Schrecken auch die Chance bietet, alte Muster zu überwinden. Für „Plänkeleien“ sei jetzt keine Zeit, sagte er, wohl wissend, dass Amerika keinen Führungsanspruch erheben muss, wenn ohnehin keine andere Nation über ausreichend Hubschrauber und Soldaten vor Ort verfügt, um umfassend helfen zu können.

Weil es keinen Schuldigen gibt und auch keine ideologischen Konflikte in der Sache, bietet sich so allen Beteiligten eine einmalige Gelegenheit: Die Überwindung der Folgen dieser Jahrhundertkatastrophe könnte zum Modell für weitere Aktionen zu Gunsten der Verlierer der Globalisierung reifen. Hier ein paar Vorschläge: Indonesien sollte nicht nur vorübergehend wie vom Kanzler vorgeschlagen, sondern endgültig davon befreit werden, ein Drittel seiner Exporterlöse für den Schuldendienst auszugeben. Die Verschuldung ist ohnehin vor allem durch die falsche Politik des von den westlichen Regierungen gelenkten Internationalen Währungsfonds entstanden. Nicht minder vernünftig wäre es, die Hilfe von den nationalen Wirtschaftsinteressen der Geber zu trennen und alle Hilfsgüter in der Region einzukaufen sowie Aufträge wann immer möglich an örtliche Unternehmen zu vergeben. Völlig unverzichtbar ist zudem finanzielle Transparenz. Mehr Unterstützung für die Flutopfer darf nicht zu weniger Hilfe für das von Aids und Krieg geplagte Afrika führen.

Vor allem aber gilt es durchzusetzen, was nun allenthalben versprochen wird, auch vom Bundeskanzler: Man dürfe die Menschen der Krisenregion nicht allein lassen, „auch nicht in Zukunft“, kündigte er an. Aufgabe der Parlamente und der Wähler ist es, dafür zu sorgen, dass Schröder und seine Kollegen Wort halten.

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