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Alternativer Nobelpreis: Durch Pollenflug zum Widerstand

In einem Alter, in dem andere in Rente gehen, ist das Ehepaar Schmeiser zu Widerstandskämpfern geworden: Heute wird ihnen gemeinsam mit drei weiteren Preisträgern der Alternative Nobelpreis verliehen.

Mehr als 50 Länder hat Percy Schmeiser in den letzten neun Jahren bereist. Weltweit setzt sich der 76-jährige Farmer gemeinsam mit seiner Frau Louise gegen den US-amerikanischen Gentechnik-Giganten und gegen grüne Gentechnik ein. Immer wieder verbreiten die beiden ihre Botschaft, Gentechnik lasse sich nicht auf einen Acker begrenzen: "Es gibt keine Koexistenz, keinen Sicherheitsabstand. Die Ausbreitung genmanipulierter Organismen lässt sich nicht kontrollieren. Die Wahlfreiheit ist verloren, wenn derlei Organismen eingeführt werden."

Heute abend erhalten beide für ihr Engagement den Right Livelihood-Award, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis. Sie sind die wohl prominentesten Preisträger der diesjährigen Verleihung. Weltweit gelten sie als Schlüsselfiguren im Widerstand gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Umweltorganisationen und Stiftungen berufen sich auf sie und arbeiten mit ihnen zusammen. Kein böses Wort findet sich in den Weiten des Internets über ihr Engagement.

Auf die Barrikaden

Dass die beiden Kanadier zu Symbolfiguren werden, damit hätten die beiden wohl niemals gerechnet. Eher zufällig und in einem Alter, in dem andere in den Ruhestand gehen, gingen sie auf die Barrikaden. Genau in dem Moment nämlich, als ihnen vor beinahe zehn Jahren ein Brief von Monsanto ins Haus flatterte, in dem sie der Konzern aufforderte, 400.000 Dollar Strafe zu zahlen. Angeblich, weil sie Monsanto-Saatgut ohne Lizenz angebaut hatten.

Bis zu diesem Moment waren die beiden Farmer weder ausgesprochene Biobauern noch hatten sie tatsächlich Monsanto-Gut gezüchtet. Um die Gensaat hatten sie keinesfalls gebeten – im Gegenteil: Die von den Nachbarfeldern hinübergewehten Pollen vernichteten ihre eigene jahrzehntelang sorgsam gehegte Züchtung. Bis heute dauert die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Schmeisers und dem Biotech-Konzern an.

Genmais bald auch in Deutschland

Es ist ein Problem, das auch Deutschland betrifft: Erst gestern hob Landwirtschaftsminister Horst Seehofer das in Deutschland geltende Handelsverbot für Genmais-Saatgut von Monsanto auf. Vom kommenden Jahr an darf der Konzern das umstrittene Saatgut MON 810 in Deutschland vertreiben. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, mit der jetzigen Entscheidung ignoriere Seehofer "die hohe Ablehnung der Bevölkerung".

Die Jury des Alternativen Nobelpreises macht in der Begründung der Preisverleihung keinen Hehl daraus, dass sie mit der Vergabe den Widerstand gegen die grüne Gentechnik würdigen. Die Schmeisers werden ausgezeichnet, "für ihren Mut bei der Verteidigung der Artenvielfalt und der Rechte der Bauern, und dafür, dass sie die derzeitige ökologisch und moralisch perverse Auslegung des Patenrechts in Frage stellen", heißt es in der offiziellen Begründung der Jury.

Erstmals wurde der Alternative Nobelpreis 1980 verliehen, nachdem es die offizielle Jury zuvor abgelehnt hatte, einen Preis für Ökologie und Entwicklung zu vergeben. Ausgezeichnet werden sollen Personen und Projekte, die "greifbare Lösungen für drängende globale Probleme aufzeigen."

Für das Völkerrecht, gegen Krieg

Neben den Schmeisers erhalten auch der sri-lankinische Jurist Christopher Weeramantry, die kenianische Friedensaktivistin Dekha Ibrahim Abdi aus Kenia und die Firma Grameen Shakti aus Bangladesh den Preis. Das Non-Profit-Unternehmen ist ein Ableger der Grameen-Bank, die im letzten Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. 30.000 Dörfer in Bangladesh hat Grameen Shaki in den letzten Jahren mit Solarpanelen versorgt – kostengünstige und klimafreundliche Energie für den ländlichen Raum.

Christopher Weeramantry und Dekha Ibrahim Abdi erhalten den Preis, weil sie – beide auf ihre Art und Weise – dazu beigetragen haben, Kriege und Konflikte zu verhindern. Die Jury würdigte Weeramantrys "lebenslange bahnbrechende Arbeit für die Stärkung und Ausweitung des Völkerrechts" und seinen Einsatz gegen Nuklearwaffen. Die Kenianerin Abdi erhält den Preis, "weil sie in unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Situationen gezeigt hat, wie religiöse und andere Differenzen sogar nach gewalttätigen Konflikten versöhnt werden können". Die Preise sind umgerechnet mit etwa 220.000 Euro dotiert.

Nicole Meßmer

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