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Politik: Am 4. Februar 1990 beschloss der Parteivorstand, sich künftig nur noch Partei des Demokratischen Sozialismus zu nennen

"Unsere Partei ist nicht mehr die SED." Mit diesem Fazit beendete der neue SED/PDS-Vorstand vor zehn Jahren nominell die Existenz der einst allmächtigen Staatspartei SED nach mehr als vier Jahrzehnten Herrschaft in der DDR.

"Unsere Partei ist nicht mehr die SED." Mit diesem Fazit beendete der neue SED/PDS-Vorstand vor zehn Jahren nominell die Existenz der einst allmächtigen Staatspartei SED nach mehr als vier Jahrzehnten Herrschaft in der DDR. Am 4. Februar 1990 beschloss der Parteivorstand, sich künftig nur noch Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) zu nennen.

Dem simplen Federstrich waren Wochen voll stürmischer, die eigene Existenzberechtigung berührender Diskussionen vorausgegangen. Trotz des Bruchs mit der stalinistischen Vergangenheit der SED und eines neuen Programms war die Forderung nach Selbstauflösung zu Beginn des Jahres 1990 nicht nur aus der DDR-Bevölkerung, sondern zunehmend auch aus der eigenen, teils bitter enttäuschten Mitgliedschaft erhoben worden.

Am Ende stand die Auffassung der Parteiführung, dass keiner das Recht habe, eine Partei mit immer noch einer Million Mitgliedern - die SED/PDS hatte in den turbulenten Wendetagen mehr als die Hälfte ihrer einst 2,3 Millionen Mitglieder eingebüßt - einfach aufzulösen. "Wir wollten uns weder aus der Verantwortung für unsere Historie rausmogeln noch den größten Etikettenschwindel in der Geschichte betreiben, indem wir uns heute als SED auflösen und morgen als PDS neu gründen", sagt der damalige Parteichef Gregor Gysi heute.

Die etappenweise Umbenennung habe den Prozesscharakter der tief greifenden Wandlungen unterstrichen. Die Partei habe sich von der alten SED-Führung getrennt, vom ehemaligen Machtmonopol losgesagt und sich einem demokratischen Sozialismus verpflichtet. "Es sollte ganz deutlich werden, autoritärer Sozialismus wie gehabt kam für uns nicht mehr in Frage", sagt der heutige PDS-Fraktionschef im Bundestag. "Uns war klar, dass wir uns als Regierungspartei für lange Zeit verabschiedet hatten." Die PDS hat den Unkenrufen zum Trotz, sie würde nach einigen Jahren der Ostalgie aus der gesamtdeutschen Parteienlandschaft verschwinden, überlebt. Und das nicht schlecht. Bei der vergangenen Bundestagswahl im September 1998 gelang ihr zum ersten Mal aus eigener Kraft der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag. In Mecklenburg-Vorpommern steht sie seit November 1998 in einer SPD-PDS-Koalition in der Regierungsverantwortung und bei den Landtagswahlen verdrängte sie im Herbst 1999 die SPD in den ostdeutschen Ländern Thüringen und Sachsen auf den dritten Platz.

Doch die Zukunft die Partei liegt im Westen. Nur wenn es ihr dort gelingt, den Geruch der SED-Nachfolgepartei und Vertreterin reiner Ostinteressen überzeugend abzustreifen, wird sie sich auf Dauer behaupten können. "Die einen zelebrieren andächtig Sozialismusvorstellungen, gewissermaßen in einer selbst errichteten Parteikirche, während die anderen, scheinbar weit entfernt von allen Grundsätzen und Visionen, knallharte pragmatische Politik machen", umreißt PDS-Vorständler Michael Schumann den intern lähmenden Spagat der Partei.

Kirsten Baukhage

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