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Politik: Am Anfangdes Weges

LENKT DER IRAK EIN?

Von Christoph von Marschall

Der Druck zeigt Wirkung. Saddam Hussein will nun doch Waffeninspekteure in den Irak lassen – bedingungslos. Lässt sich damit der angedrohte Krieg verhindern, der nach Ansicht der Bundesregierung die ganze Region in eine Tragödie stürzen würde?

Von solcher Erleichterung ist wenig zu spüren. Die Reaktionen sind verhalten, selbst unter den Gegnern eines Militärschlags. Dies sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, sagt Außenminister Fischer. China entdeckt die „Hoffnung“ auf einen friedlichen Ausgang, mehr nicht.

Woran liegt das? An der grimmigen Entschlossenheit Amerikas, am Glauben, dass sich George W. Bush selbst durch sorgfältige UN-Kontrollen nicht abhalten lassen werde, Saddam zu stürzen? Mag sein, auch das spielt eine Rolle. Doch der wahre Grund der Skepsis ist nicht Misstrauen gegen die USA, sondern – Misstrauen gegen Saddam. Aus böser Erfahrung: Er hat seine Zusagen immer wieder gebrochen und nicht eine der vielen UN-Resolutionen erfüllt. Wie lässt sich verhindern, dass die neuen Inspektionen nicht im gleichen Katz-und-Maus-Spiel enden wie vor dem endgültigen Rausschmiss der Kontrolleure 1998? Da wurden Gebäude, die die UN-Mannschaft inspizieren wollte, flugs als private Paläste Saddams deklariert; da ließ man die Inspekteure stundenlang vor einem Werkstor warten, während aus einem anderen schwer beladene Lkw hinausfuhren.

Eine Wiederholung dieser „Spielchen“, wie die britische Regierung das nennt, bietet keine Sicherheit, dass Saddam weder Massenvernichtungswaffen besitzt noch an ihrer Entwicklung arbeitet – wie es die Vereinten Nationen fordern. Chemische Waffen, die er gegen den Nachbarn Iran und die Kurden im eigenen Land eingesetzt hat. Biowaffen oder gar eine Atombombe, mit der er morgen Israel bedroht und übermorgen vielleicht sogar Deutschland, falls man ihn sein Raketenprogramm ungehindert ausbauen lässt. Bei solchen Fragen von Krieg oder Frieden könnte ein Irrtum tödlich sein.

Was also tun, um einerseits dem Frieden eine Chance zu geben – und andererseits auszuschließen, dass Saddam die Welt narrt? Erstens: Ihn beim Wort nehmen, wie Frankreich das fordert, und die Inspekteure in Marsch setzen. Wenn Kanzler Schröder nun auch deutsche Experten dabeihaben will – umso besser. Vielleicht werden dann die Besorgnis erregenden Hinweise auf Iraks Rüstungsprogramm endlich auch in Deutschland öffentlich diskutiert. Zweitens soll man erfolgreiche Strategien nicht ändern. Die Wohlmeinenden sagen, Saddams Einlenken sei dem vereinten Druck Amerikas, der UN und der arabischen Staaten zu verdanken – hoffen wir mal, dass die Einschätzung stimmt. Aber was hätte das Drängen der arabischen Brüder genützt ohne die glaubwürdige Drohung der USA mit einem Militärschlag? Eine Drohung, die der Sicherheitsrat nach Präsident Bushs UN-Rede in einer Resolution bekräftigen wollte – und dann müsste der Irak bei neuen „Spielchen“ mit einem Angriff rechnen. Warum also gibt Saddam gerade jetzt nach? Weil er die Resolution verhindern möchte, die Amerika relativ freie Hand gäbe, wenn Bagdad auf Zeit spielt. Was erneut zeigt: Der Mann, den manche einen „Verrückten“ nennen, kalkuliert kühl – ein vernünftiger Irrer eben.

Deshalb sollten sich alle, die den Krieg verhindern wollen, wünschen, dass der UN-Sicherheitsrat diese Resolution jetzt erst recht beschließt. Ein Ultimatum, das Saddam Gewalt androht, wenn er die bedingungslosen Waffenkontrollen verweigert. Je schärfer die Drohung, desto größer die Aussicht auf Frieden. Denn das ist die Logik der jüngsten Erfahrung: Der Diktator gibt nach, wenn er den Angriff nicht mehr anders verhindern kann.

Zudem: Was kann eine solche Resolution schaden? Den befürchteten „Automatismus“ zu Militärschlägen eröffnet sie nicht – vorausgesetzt, Saddam kooperiert und gewährt den Kontrolleuren Zutritt zu allen verdächtigen Orten. Am Ende dieses mühsamen Prozesses müssen zwei Dinge sicher sein: Dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen mehr besitzt – und dass auch sein Potenzial zur Entwicklung atomarer, biologischer und chemischer Waffen zerstört ist.

Nur wenn Saddam Ernst macht mit den Inspektionen, wird der Ernstfall, den er fürchtet, nicht eintreten. Und dann können auch die Sanktionen fallen, unter denen das irakische Volk leidet.

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