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Politik: Am Rande des Aufstands

Von Christian Böhme Für Spaniens Ministerpräsident José María Aznar ist es eine Premiere der unangenehmen Art. Zum ersten Mal seit der Regierungsübernahme seiner konservativen Volkspartei 1996 begann am Donnerstag ein 24-stündiger Generalstreik im Königreich – genau einen Tag vor Beginn des EU-Gipfels in Sevilla.

Von Christian Böhme

Für Spaniens Ministerpräsident José María Aznar ist es eine Premiere der unangenehmen Art. Zum ersten Mal seit der Regierungsübernahme seiner konservativen Volkspartei 1996 begann am Donnerstag ein 24-stündiger Generalstreik im Königreich – genau einen Tag vor Beginn des EU-Gipfels in Sevilla.

Die beiden großen Gewerkschaften „Unión General des Trabajadores“ und „Comisiones Obreras“ wollen mit dem Ausstand gegen aus ihrer Sicht drastische Einschnitte ins soziale Netz protestieren. Anlass ist eine Reform des Arbeitsrechts. Unter anderem soll die gern genutzte Frühverrentung mit 52 Jahren erschwert werden, die Bürokratie bei Entlassungen wird vereinfacht, und Saisonarbeiter mit einer bisher garantierten kleinen staatlichen Unterstützung gelten künftig als Freiberufler. Für Aznar sind das Maßnahmen im Sinne einer größeren Flexibilität des Arbeitsmarktes. Die linken Gewerkschaften sprechen dagegen von neoliberaler Willkür.

So deutlich haben das die Verbände schon lange nicht mehr gesagt. Jahrelang hielten die Arbeitnehmervertreter still, stimmten sogar erleichterten Kündigungen zu. Alles zum Wohle des wirtschaftlichen Aufschwungs. Der kam und gab Aznar Recht.

Doch die Zeiten glänzender Konjunkturdaten und sinkender Arbeitslosenzahlen sind auch in Spanien vorbei. Das allein wäre schon Grund genug für die Gewerkschaften, wieder Flagge zu zeigen. Der Streik ist aber mehr als ein Arbeitskampf gegen die sozial- und wirtschaftspolitischen Reformpläne der Regierung. Die Gewerkschaften proben auch den Aufstand gegen Aznars Regierungsstil und stellen damit indirekt die Machtfrage. Man ist generell verärgert darüber, wie das Kabinett in Madrid (gestützt auf eine absolute Mehrheit) seit einiger Zeit regiert. Von Arroganz ist die Rede, von Politikern, die für Ratschläge oder gar Kritik unzugänglich sind. Aznar scheint das wenig zu kümmern. Der Ministerpräsident hat Gewerkschaften und die sozialistische Opposition sogar offen brüskiert. Ende Mai trat das Arbeitsrecht in Kraft – per Dekret. Das Parlament abstimmen zu lassen, hielt er wohl nicht für nötig.

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