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Amnesty International: „Öffentliche Kritik ist notwendig“

China-Experte Mark Allison über den Besuch von Bundespräsident Köhler.

Bundespräsident Horst Köhler ist zum Staatsbesuch in China und spricht heute mit Pekings Führung. Was sollte er zu den Menschenrechten sagen?

Am dringlichsten ist die Situation der Menschenrechtsaktivisten. Wir sehen hier eine stärkere Unterdrückung, mehr Gefängnisstrafen. Es ist ein besorgniserregender Trend, dass Aktivisten vermehrt unter Hausarrest gestellt werden. Das betrifft Leute wie den Aids-Aktivisten Hu Jia in Peking und den Rechtsanwalt Gao Zhisheng, der praktisch wie ein Gefangener behandelt wird. Andere Aktivisten wurden Berichten zufolge in Haft gefoltert. Diese Fälle müssen sehr viel mehr öffentlich gemacht werden.

Westliche Regierungen verweisen gerne auf den staatlichen Menschenrechtsdialog, den sie mit China führen.

Manche Länder reden sich damit heraus, dass sie diese Dinge im bilateralen Menschenrechtsdialog mit China ansprechen. Doch der findet hinter geschlossenen Türen statt. Ein solcher Dialog muss durch öffentliche Kritik untermauert werden. Besonders wichtig ist dabei, auf Einzelschicksale hinzuweisen. Denn China reagiert sehr sensibel auf internationalen Druck.

Der deutsche Bundestag kritisierte vor einer Woche Chinas System der „Lao Gai“, der Umerziehung durch Arbeit.

Die Erklärung des Bundestages war sehr ermutigend. Auch chinesische Rechtsexperten fordern, dass dieses System abgeschafft wird. Überhaupt sollte China alle Inhaftierungen, die nicht von Gerichten angeordnet sind, abschaffen. Einer früheren Schätzung von uns zufolge sitzen 300 000 Menschen in China in solchen Umerziehungslagern.

Wird sich die Menschenrechtslage durch die Olympischen Spiele im kommenden Jahr verbessern?

Das hoffen wir. China hat ja ganz spezielle Versprechen gegeben, als es den Zuschlag für die Spiele bekam. Peking kündigte beispielsweise Pressefreiheit an. Allerdings gelten diese Regeln nicht für die chinesischen Journalisten.

Besonders kritisiert wird die hohe Zahl der Todesstrafen.

In China werden jedes Jahr mehr Menschen hingerichtet als im Rest der Welt zusammen. Letztes Jahr waren das schätzungsweise 7000 bis 8000 Menschen – die genaue Zahl ist ein Staatsgeheimnis. China hat jetzt eingeführt, dass jedes Todesurteil in China vom obersten Gericht überprüft werden muss. Das begrüßen wir. Man hofft, dass dies zu weniger Todesstrafen führt.

Mark Allison ist China-Experte von Amnesty International in Hongkong. Mit ihm sprach Harald Maass.

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