zum Hauptinhalt

Amok-Prävention: Nach Winnenden investiert Südwesten massiv

Damit sich ein Massaker wie in Winnenden nicht wiederholt, hat die Landesregierung in Stuttgart ein ganzes Bündel zur Vorbeugung entwickelt. Eine Garantie ist das nicht.

Gewalt, sagt Baden-Württembergs Sozialministerin Monika Stolz (CDU), Gewalt ist das Ende einer Entwicklung, bei der zuvor Chancen verpasst wurden: wie der Amoklauf von Winnenden, der sich im März jährte und 16 Menschen das Leben kostete. Damit sich ein solches Massaker nicht wiederholt, hat die baden-württembergische Landesregierung nun ein ganzes Bündel präventiver Maßnahmen entwickelt, die ein solch gewalttätiges Ende zwar nicht verhindern, aber doch unwahrscheinlicher machen können.

Mehr als 16 Millionen Euro steckt das Land als erste Tranche in das Programm, das mit der Bekämpfung von Internetkriminalität beginnt. Seit Winnenden zählte die Polizei mehr als 280 Drohbotschaften, ein großer Teil davon wurde im Netz publiziert. Deshalb erhöht das Landeskriminalamt die Anzahl seiner Experten für die Beweissicherung von Straftaten im flüchtigen Internet, schafft Professorenstellen für die Fortbildung an der Polizeiakademie und schreibt die Lehrpläne für den Polizeidienst um. 4000 Polizisten mit Internetkenntnissen sollen als erste Ansprechpartner in den Polizeirevieren dienen. Und wo mehr ermittelt wird, erwartet die Justiz mehr Verfahren. Damit die Gerichte nicht zu Flaschenhälsen werden, wird die Zahl speziell geschulter Staatsanwälte ebenso aufgestockt wie die Zahl entsprechend fortgebildeter Richter.

Vor allem aber profitieren die Schulen: Kultusministerin Marion Schick (CDU) plant ein flächendeckendes Netz zur Gewaltprävention nach dem Muster des Norwegers Dan Olweus. Auch die Zahl der Beratungslehrer wird verdoppelt, ebenso die der Schulpsychologen. Es gibt nach Einschätzung des Tübinger Jugendpsychiaters Gottfried Barth derzeit rund 100 Jugendliche in Baden- Württemberg mit Amokfantasien, wie konkret auch immer.

Die Grundlage für den rund 100 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog hatten eine unabhängige Expertenkommission und ein Sonderausschuss des Landtages geliefert. Im Wesentlichen war man sich fraktionsübergreifend einig: Das Thema eigne sich nicht für parteipolitisches Ränkespiel, vorausgesetzt, die Regierung redet nicht nur, sondern finanziert auch. Das hat sie getan, gleichwohl gibt es unerfüllte Wünsche: die der betroffenen Eltern nach einem Verbot von Killerspielen und die der Opposition nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Unerfüllt bleibt wohl auch der Wunsch vieler Schulen nach speziellen Sicherheitssystemen – da bleiben die Kommunen als Schulträger gefordert, das Land gibt nichts. Ausnahme: das verwaiste Gebäude der Albertville-Realschule in Winnenden, das auch mithilfe des Bundes für knapp sechs Millionen Euro umgebaut und im Sommer 2011 wieder bezogen wird.

Die politische Aufarbeitung des Amoklaufs ist damit vorerst abgeschlossen. Nun folgt die juristische: Im Herbst wird der Prozess gegen den Vater des Amokläufers eröffnet. Auch dies ein beispielloses Unterfangen: Einen Strafprozess, bei dem ein Dritter wegen eines Amoklaufs belangt wurde, gab es in Deutschland noch nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false