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Amtszeit: Alles Köhler oder was?

Vieles spricht für eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler - es wäre eine Wahl ohne Signalwirkung. Denn Mehrfach in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Bundesversammlung nicht nur einen Bundespräsidenten gewählt, sondern mit dieser Entscheidung zugleich Auskunft über künftige Machtkonstellationen gegeben.

Berlin - Am 23. Mai 2009 wird der Bundespräsident gewählt, und er wird Horst Köhler heißen. Davon jedenfalls geht nach Lage der Zahlen und der Politik „tout Berlin-Mitte“ aus – wobei „tout“, wie üblich, nur fast alle sind. Und wer sich der Prognose anschließt, wird hinzufügen, dass dieser Wahl ein entscheidendes Element, das „Zeichen“, fehlen wird. Mehrfach in der Geschichte der Bundesrepublik hat die Bundesversammlung nicht nur einen Bundespräsidenten gewählt, sondern mit dieser Entscheidung zugleich Auskunft über künftige Machtkonstellationen gegeben. Als Gustav Heinemann (SPD) im Mai 1969 im dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt wurde, war er zugleich Vorbote des Machtwechsels zur sozialliberalen Koalition unter dem ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt.

Als ein solcher Vorbote sollte auch Horst Köhler verstanden werden, den die damalige CDU-Chefin Angela Merkel 2004 in einem unschönen Kraftakt mit Hilfe von FDP-Chef Guido Westerwelle durchgesetzt hat. Das Zeichen sollte auf eine künftige schwarz-gelbe Bundesregierung deuten. Bekanntlich kam es anders, das souveräne Wahlvolk verhalf der großen Koalition an die Macht. Und Horst Köhler, vormals Chef des Internationalen Währungsfonds, dem deshalb ein lauter Ruf als Neoliberaler voranging, enttäuschte nicht nur als „Zeichen“, sondern auch diesen Ruf. Und er hielt seine Ankündigung ein, „notfalls unbequem“ zu sein. Dieser Bundespräsident hat in seinen kritischen Einwänden gegen Maßnahmen oder Gesetze der Bundesregierung keine Partei bevorzugt oder benachteiligt. Die Kritik der SPD an Köhler hat sich abgeschwächt. In der Bevölkerung ist Köhler sehr beliebt.

Ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit werde er sich zu einer zweiten äußern, hat Köhler angekündigt. Also zwischen Mai und Juli. Wenn FDP-Chef Westerwelle jetzt vorgeprescht und eine Lanze für die Wiederwahl gebrochen hat, dann hat das mit Zahlen und politischen Konstellationen zu tun. Rechnerisch wird es in der Bundesversammlung, die sich aus den Bundestagsabgeordneten und einer ebenso großen Anzahl von Vertretern aus den Länderparlamenten zusammensetzt, die alte Mehrheit von Union und FDP nicht mehr geben, wenn im Herbst der bayerische Landtag gewählt worden ist. Es gibt aber absehbar auch keine Gegenmehrheit: Für Rot-Grün ohnehin nicht, auch nicht für Rot-Rot-Grün oder die rot-gelb-grüne Ampel.

Zeit für politische Experimente? Einem hat Westerwelle mit seiner Wortmeldung vorgebeugt: Kein Spielraum mehr für Überlegungen in der SPD, durch Nominierung eines liberalen Kandidaten, zum Beispiel Wolfgang Gerhardt, ein Ampel-Spiel zu beginnen.

Aber SPD-Chef Kurt Beck fehlen nach dem Abenteuer in Hessen für das Machtlabor Präsidentenwahl ohnehin die politischen Voraussetzungen: Er kann sich keinen weiteren Fehlschlag leisten, weder mit einem Ampel-, und schon gar nicht mit einem Linkspartei-Versuch. Beck hat sich hinter der Formel verschanzt: Der Respekt vor dem Amt gebiete, dass zunächst der Bundespräsident sich zur zweiten Amtszeit erklärt. Dann werde die SPD beraten und ihre Haltung festlegen. Mit Verweis auf diesen Ablauf wehrt Beck seit einiger Zeit öffentliche und interne Anfragen ab.

Angela Merkel wiederum ist das nur allzu recht. Ihr Verhältnis zu Köhler gilt als kühl, zerrüttet ist es keineswegs. Ein schwarz-gelber Kraftakt wie vor vier Jahren liegt nicht in ihrem Interesse, ein schwarz-gelb-grüner ist schon wegen Westerwelles Intervention nicht möglich. Die Bundeskanzlerin muss sich mehrere Optionen offenhalten, auch die der großen Koalition. Da ist es für alle doch das Einfachste, wenn der beliebte Bundespräsident in einigen Wochen sagt: Ich bleibe – und diese Entscheidung danach landauf, landab begrüßt wird.

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