zum Hauptinhalt

Politik: Angebot in letzter Minute

Die Wirtschaft schlägt einen „Pakt für Ausbildung“ vor, doch der SPD-Führung reicht das nicht. Sie will ein Gesetz

Von Antje Sirleschtov

Jetzt soll es ein Bündnis richten. So wollen die deutschen Wirtschaftsverbände die SPD-Führung davon überzeugen, sich quasi in letzter Minute doch noch von dem Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage zu verabschieden. Einen „Pakt für Ausbildung“ haben die Industrie- und Handelskammern und die Arbeitgeber daher SPD-Chef Franz Müntefering am Mittwoch angeboten.

Sie schlagen vor, dass die regionalen Handelskammern auf Länderebene alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln, um freie Lehrstellen zu suchen und mit Schulabgängern zu besetzen. „Alle ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen“, sagte DIHK-Präsident Ludwig Braun nach dem Treffen mit der SPD-Spitze, sollten eine Ausbildungschance erhalten. Jugendlichen, die auch nach der Vermittlung ohne Lehrstelle blieben, will der DIHK einen Praktikumsplatz verschaffen. In sechs Monaten bis zu einem Jahr sollen sich die Betroffenen auf eine Lehre vorbereiten, „natürlich für weniger Geld, als die reguläre Ausbildungsvergütung“. Diese Praktika könnten auf die Lehrzeit angerechnet werden. Weil vor allem in Ostdeutschland tausende Lehrstellen fehlen, will der DIHK den jungen Leuten Ausbildungsplätze und Praktika in den alten Ländern vermitteln. Braun regte dazu an, ein spezielles Bafög einzurichten, damit die Ostdeutschen fern der Heimat eine Lehrstelle antreten könnten.

Ob die Bemühungen allerdings ausreichen werden, die SPD-Führung von ihrem Vorhaben einer gesetzlichen Umlage abzubringen, ist unklar. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, begrüßte zwar die Initiative der Unternehmerverbände. Gleichzeitig bezeichnete er sie als „nicht ausreichend“. Ein Sprecher Münteferings bekräftigte den Plan für das Gesetz. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund teilte nach einem Gespräch mit dem SPD-Chef mit, man halte an der Forderung nach einem Gesetz fest.

Kritik an der gesetzlichen Umlage kam am Mittwoch nicht nur von den Unternehmerverbänden, die der Koalition vorwarfen, allein mit der Debatte um die Umlage Ausbildungsbetriebe zu verunsichern und damit die Chance, neue Lehrstellen einzuwerben, zu vermindern. Auch die kommunalen Spitzenverbände wehrten sich gegen Strafzahlungen, die auf sie zukämen, falls das Gesetz umgesetzt wird. Die Kommunen beklagten, ihr Engagement etwa im Berufsschulbereich werde nicht gewürdigt.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte, die Situation am Ausbildungsmarkt sei noch problematischer als 2003. Ende März hätten 167 000 Ausbildungsplätze gefehlt, 25 000 mehr als ein Jahr zuvor. Die fehlenden Lehrstellen verteilten sich je zur Hälfte auf Ost- und Westdeutschland. Bulmahn warnte, wenn nicht ausreichend ausgebildet werde, fehlten in Deutschland 2015 rund drei Millionen Fachkräfte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false