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Angela Merkel: Der neue EU-Star

Erleichtert, mit etwas zerknittertem Hosenanzug, aber mit breitem Lächeln präsentierte sich Angela Merkel um 03.00 Uhr morgens am Samstag im Brüsseler EU-Ratsgebäude nach getaner Arbeit.

Brüssel - «Ein gutes Signal für die EU und für Deutschland» - so ihr Resümee zu nächtlicher Stunde. Die Auslandspresse feierte sie bereits als neuen Star am EU-Himmel: «Eine Mittlerin, die zusammenführen kann.»

Noch 12 Stunden zuvor hätte sie auf einen Erfolg im Brüsseler Poker um Macht und Geld nicht wetten wollen. Doch ihre Taktik ging schließlich auf. Mit den beiden Hauptkontrahenten, Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac und Großbritanniens Premier Tony Blair, feilte sie stundenlang an Formulierungen, bis es schließlich passte. Als am Ende den Polen noch 100 Millionen Euro fehlten, um Ja sagen zu können, legte Merkel auch die noch auf den Tisch.

Sie verzichtete zu Gunsten des östlichen Nachbarlandes auf bereits zugesagte und im britischen Abschlussvorschlag zunächst schon festgeschriebene Strukturhilfen für Ostdeutschland. Für Merkel war das verkraftbar. Schließlich bringt sie für Deutschland als größten Nettozahler ein besseres Ergebnis nach Hause, als noch im Juni unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (SPD) absehbar war: «Das Ergebnis können wir unserem Finanzminister guten Gewissens präsentieren.»

Als «Brückenbauer» hatte Merkel Deutschlands neue Rolle in der EU bei ihrer Amtsübernahme vor knapp vier Wochen beschrieben. Die Probe aufs Exempel kam nun schneller als erwartet. So wurde der Brüsseler Gipfel ein «Merkel-Gipfel». Die EU hat nun auch dank auch ihres Einsatzes seit langer Zeit wieder ihr erstes Erfolgserlebnis.

Es gibt finanzielle Planungssicherheit für die nächsten Jahre. Die bisher nahezu unantastbaren heiligen Kühe der «alten EU» - der britische Sonderrabatt auf die EU-Zahlungen und die Agrarhilfen für die französischen Bauern - sind zwar noch lange nicht Vergangenheit. Aber der Einstieg in den Ausstieg ist geschafft.

Der Erfolg geht auf Merkels Konto. Manche sprechen bereits von einem «psychologischen Befreiungsschlag» für die EU. Er schaffe Schwung auch für die Lösung der Verfassungskrise, die EU-Europa dauerhaft zu lähmen droht. Angela Merkel wollte sich auf derart hochfliegende Deutungen des Brüsseler Erfolgs und auf eine Sonderrolle für sie nicht einlassen - «Europa hat Handlungsfähigkeit bewiesen», reichte ihr als Botschaft zunächst völlig aus.

Ähnlich nüchtern-sachlich ihr Außenminister und Koalitionspartner Frank-Walter Steinmeier. «Advent ist die Zeit der Ankunft und der Einkehr: Wir sind angekommen», freute sich am Ende der SPD-Mann an der Seite der CDU-Kanzlerin. Gewonnen hat für ihn auch die Berliner Koalition. Steinmeier dankte ausdrücklich Merkel für ihren Einsatz in Brüssel. Keine Spur von Konkurrenz also, vielmehr demonstrative Tandem-Arbeit - so präsentierte sich auf der Brüsseler Gipfel-Bühne die neue außenpolitische Spitze aus Berlin. Ihre wichtigste Erfahrung bei diesem ersten Verhandlungsmarathon in der EU fasste Merkel so zusammen: «Dass man die Hoffnung nie aufgeben darf!» (Von Frank Rafalski, dpa)

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