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Politik: „Angela Merkel ist klug genug“

Schleswig-Holsteins Regierungschef Carstensen über das Potenzial großer Koalitionen und die Kunst, Brücken zu bauen

Herr Carstensen, kleine Quizfrage: Was haben Angela Merkel und Sie gemeinsam?

Vor gut einem Jahr hat einer auf einer Veranstaltung gesagt: Im nächsten Jahr wird Peter Harry Carstensen Ministerpräsident einer großen Koalition in Kiel sein, Angela Merkel wird Bundeskanzlerin sein und der Papst wird aus Deutschland kommen. Der, der das gesagt hat, wird gerade wieder aus der geschlossenen Abteilung entlassen. Im Ernst: Wir beide haben viele überrascht und wir beide führen eine große Koalition.

Die Konstellation in Schleswig-Holstein ist sehr ähnlich der in Berlin: Zwei gleich große Partner. Wieso funktioniert so was?

Die Geburtswehen unserer großen Koalition waren ja groß, größer als in Berlin. Vielleicht hat dieser Umweg aber mit dazu geführt, dass jeder sich besonnen hat, sich mal von den parteipolitischen Spielwiesen weg zu begeben. Wir haben uns gefragt: Sind wir gemeinsam bereit, die Probleme des Landes anzupacken? Und die heißen: Verschuldung, Arbeitslosigkeit, mangelndes Wachstum.

Das klingt hier in Berlin sehr vertraut.

Das mag gut sein. Wir haben uns in Kiel jedenfalls entschlossen, gemeinsam nach vorn zu schauen und zu arbeiten.

Wie aber bleibt man ein guter CDU-Politiker in einem Bündnis mit der SPD?

Indem man sich auf das Wesentliche konzentriert und indem man das einhält, was man den Bürgerinnen und Bürgern versprochen hat. Nämlich dafür zu sorgen, dass die Haushalte konsolidiert werden; dafür zu sorgen, dass wir Reformen bekommen; dass wir uns um Bildung kümmern; dass wir die Wirtschaft in Gang bringen und dass die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut und nicht mehr blockiert wird. Und das ist das, was wir in Schleswig-Holstein jetzt machen.

Was ist daran so christdemokratisch?

Ich bin nicht derjenige, der nun alles darauf abklopft, ob das in irgendwelchen Papieren gestanden hat. Mich interessiert viel mehr: Wie kriegen wir das Land wieder in Gang?

Das würde ein pragmatischer SPD-Politiker nun allerdings genau so sagen.

Solche pragmatischen SPD-Politiker sind in der großen Koalition in Kiel.

Aber wenn Sie in die nächste Landtagswahl ziehen, welchen Grund sollte ein Wähler haben, dann CDU zu wählen?

Unser CDU-Regierungsprogramm hatte 120 Seiten. Der Koalitionsvertrag hat gerade mal gut 60. Da bleibt genug für den nächsten Wahlkampf. Und es gibt einen Ministerpräsidenten, der diese Koalition führt und die Richtung angibt.

Wie weit lässt der Geist einer großen Koalition auch die Basis aus den Partei-Gräben steigen?

Vor Ort gibt es natürlich weiter Unterschiede, gerade in kommunalen Fragen. Manchmal ist es auch schwierig, die Fraktionen einzubinden. Aber im Kabinett funktionieren die Absprachen. Auch, weil alle wissen: Wenn etwas beschlossen ist, steht der Ministerpräsident dahinter, gleich von wem die Idee stammt. Die Bevölkerung weiß, dass wir nicht einknicken.

Die Bundes-CDU will gerade ihr Grundsatzprogramm überarbeiten, ihr Profil schärfen. Was ist das Wichtigste?

Es geht sicherlich darum, das Image einer nicht so sozialen Partei loszuwerden. Allerdings muss man dazu sagen: Es kommt in der Politik viel auf die richtige Reihenfolge an. Natürlich haben wir Probleme, auch viele soziale Probleme. Aber wir können sie nicht lösen ohne Geld. Den Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik deutlich zu machen – das ist die Aufgabe, die wir lösen müssen.

Kann man in einer großen Koalition auch mal lupenreine CDU-Politik machen?

Ja natürlich. Dass wir dafür sorgen, dass Entscheidungen schnell durchgesetzt werden zum Beispiel. In Dänemark ist eine große Brücke über den Belt gebaut worden. Das ist 1988 entschieden worden, seit 1999 fahren die Autos darüber. In Deutschland würde das Jahrzehnte länger dauern. Politik muss wieder erkennen, dass sie zum Entscheiden da ist. Wir Politiker haben einen Dienstleistungsauftrag vom Bürger.

Sie haben das Stichwort „Reihenfolge“ genannt. Muss eine große Koalition die größten Aufgaben, das Schwerste an den Anfang stellen?

Ich halte nichts von solchen Rezepten. Es gibt viele kleine Probleme, die ich vor drei, vier Monaten noch nicht hätte lösen können. Mir kommt unsere Arbeit manchmal so vor wie der Versuch, ein langes Wort zu bilden. Die Buchstaben liegen alle auf dem Tisch. Aber um das Wort zu bilden, müssen sie in die richtige Reihenfolge. Sonst klappt das nicht.

Was machen Sie, wenn Ihr SPD-Partner sagt: Alles gut und schön, aber das machen meine Leute nicht mit?

Wenn wir gemeinsam der Meinung sind, dass das fragliche Projekt sinnvoll ist, dann bemühen wir uns, es auf beiden Seiten durchzukriegen. Unsere Verwaltungsstrukturreform zum Beispiel ist ein Problem gewesen, besonders für die CDU, weil nach dem guten Kommunalwahlergebnis vor allem unsere Leute davon betroffen waren. Der Koalitionspartner hat gemerkt, dass der Ministerpräsident nicht wankt, sondern sich mit seinen Leuten auseinander gesetzt hat. Wir erwarten das genau so bei der SPD, wenn sie ein Problem mit ihren Leuten hat. Und das passiert bei uns auch.

Das wäre also dann auch Ihr Rat an die Bundeskanzlerin?

Ich gebe Angela Merkel keinen Rat. Die ist klug genug. Ich glaube, so wie sie das macht, ist sie auf dem richtigen Weg – Vertrauen zu schaffen, auf Offenheit und Ehrlichkeit im Kabinett zu setzen und den Rücken gerade zu halten.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum, Cordula Eubel und Juliane Schäuble.

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