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Politik: Angriff mit Sturm 12, Monitor und Disput Russlands Geheimdienst hat Computerprogramme in Auftrag gegeben – um Blogger zu überwachen

Moskau - Es klingt, als hätten Internet-Piraten ohne Rücksicht auf Urheberrechte den Inhalt von George Orwells düsterem Bestseller „1984“ fürs digitale Zeitalter adaptiert: Der russische Auslandsgeheimdienst will, wie die gut informierte Wirtschaftszeitung „Kommersant“ jetzt berichtet, die Entwicklung gleich mehrerer Computerprogramme in Auftrag geben. Das Ziel: die bessere Kontrolle von Bloggern und virtuellen sozialen Netzwerken.

Moskau - Es klingt, als hätten Internet-Piraten ohne Rücksicht auf Urheberrechte den Inhalt von George Orwells düsterem Bestseller „1984“ fürs digitale Zeitalter adaptiert: Der russische Auslandsgeheimdienst will, wie die gut informierte Wirtschaftszeitung „Kommersant“ jetzt berichtet, die Entwicklung gleich mehrerer Computerprogramme in Auftrag geben. Das Ziel: die bessere Kontrolle von Bloggern und virtuellen sozialen Netzwerken.

„Sturm 12“ – vermutlich in Anspielung auf die aktuelle Jahreszahl – heißt die geplante Attacke auf das Internet, mit dessen Hilfe auch Massenproteste organisiert werden. Die Gesamtkosten für das Projekt sollen sich auf umgerechnet knapp eine Million US-Dollar belaufen.

Geplant sind insgesamt drei Programme, deren Ergebnisse aufeinander aufbauen sollen. In einem ersten Schritt soll ein System –Arbeitstitel „Disput“ – die Blogosphäre ausspionieren. Den Geheimdienst interessiert dabei vor allem, auf welchen Wegen Informationen verbreitet werden, wie sich die Meinungsbildung vollzieht und was die Popularität der Einträge beeinflusst. Die von „Disput“ gewonnen Erkenntnisse werden dann durch das Programm „Monitor“ ausgewertet und analysiert.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen Experten befähigen, Methoden gezielter Einflussnahme auf die User zu entwickeln. Ein drittes Programm – „Sturm 12“ – soll schließlich bewirken, dass die so entstandenen Texte, Bilder und Clips auch bei den Zielgruppen ankommen und dort Wirkung entfalten.

Experten halten dieses Vorhaben für durchaus realistisch. Derartige Software ist ihrer Meinung nach „extrem effektiv“, wenn es gilt, die Sicherheitscodes von Websites zu knacken und sich Zugang zum Administrator-Account zu verschaffen – um Inhalte zu verändern, Mails als Postwurf-Sendungen zu verschicken und Computer mit verschiedenen Schadprogrammen zu verseuchen.

Wie „Kommersant“ berichtet, geht es dabei nicht nur um Meinungsmanipulation in Russland selbst, sondern auch um die Abwehr möglicher „Angriffe“ aus dem Ausland. Auslöser könnte die Empörung im Westen über den Prozess gegen die feministische Punk-Gruppe Pussy Riot gewesen sein. Die jungen Frauen wurden wegen ihres Anti-Putin-Gebets in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche zu zwei Jahren Straflager verurteilt.

Die Ausschreibung für die Überwachungssoftware ist nicht öffentlich, den Zuschlag soll laut „Kommersant“ die Firma Intranet bekommen. Deren Generaldirektor, Igor Mazkewitsch, hat viel Erfahrung mit dem Ver- und Entschlüsseln von Dokumenten: Er war vor seinem heutigen Job stellvertretender Leiter des Instituts für Kryptografie beim Inlandsgeheimdienst FSB, dem Nachfolger des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB.

Bereits der KGB hatte, lange bevor es das Internet gab, bereits mit verschiedenen Möglichkeiten zur Schwächung der Dissidentenbewegung experimentiert. Diese sollte zum Beispiel durch gezielte Provokationen diskreditiert und gespalten werden. Außerdem versuchte man, unerwünschte Informationen bei Naturkatastrophen oder inneren Unruhen zu verhindern. Staatliche Medien berichteten zu kommunistischen Zeiten über derartige Vorkommnisse entweder gar nicht oder verharmlosten sie.

Die Projektbeschreibung für „Sturm 12“, so erinnert sich ein ehemaliger Insider, ähnele vergleichbaren Vorhaben in vergangenen Zeiten. Die Tschekisten etwa wollten den „imperialistischen Klassenfeind“ psychologisch beeinflussen. Zum Beispiel sollte die gezielte Verbreitung von Rassenhass die Kampffähigkeit der USA schwächen. Elke Windisch

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