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Politik: Angst vor hässlichen Bildern

Sachsens Regierungschef fürchtet NPD-Aktionen beim Gedenken in Dresden – doch er tut wenig dagegen

In der Dresdner Staatskanzlei blickt man mit Bangen auf das historische Datum. Am Sonntag wird in der Stadt mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen und Gottesdiensten an die Bombardierung durch Alliierte vor 60 Jahren erinnert. Zugleich plant die rechte Szene einen Großaufmarsch. Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) fürchtet, dass „hässliche Bilder“ von Rechtsextremen aus Dresden um die Welt gehen. Aber er hat dem derzeit nur wenig entgegenzusetzen.

Nach dem NPD-Eklat im Landtag rückten Dresden und die Erinnerung an die Ereignisse vor nunmehr sechs Jahrzehnten plötzlich nicht nur in Deutschland in den Fokus. Redner der rechtsextremen NPD hatten die Bombardierung Dresdens und anderer deutscher Großstädte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als „industriell geplanten Massenmord“ und „Bomben-Holocaust“ bezeichnet. Sie setzten damit die Bombenangriffe mit dem systematisch betriebenen Völkermord gleich, als habe es Auschwitz und die Vernichtung von Millionen Juden nie gegeben.

Kritiker in der Opposition kreiden ihm an, zu spät auf die Provokationen der NPD reagiert zu haben. Auch die Aktionen gegen rechts am Sonntag in Dresden habe man erst auf den letzten Drücker organisiert. Viel zu lange, so heißt es in der sächsischen Union, habe Milbradt den 13. Februar als alleinige Angelegenheit der Stadt gesehen. Dresden war am 13. und 14. Februar 1945 bei Luftangriffen der Alliierten schwer zerstört worden. Schätzungsweise 35 000 Menschen kamen ums Leben. Die historische Innenstadt wurde in Schutt und Asche gelegt.

Sein Entsetzen über die Provokationen der NPD hatte Milbradt freilich mehrfach zum Ausdruck gebracht. „Ein Schatten fällt auf unser Land“, sagte er. Und er rief zum Aufstand der Anständigen auf. Die Dresdner sollen am Sonntag ein Zeichen setzen gegen Intoleranz und den Missbrauch des Gedenkens durch Rechtsextreme. Sie sollen mit Kerzen auf den Platz vor der Semperoper kommen. In der Staatskanzlei hat man die Aktion mit vorbereitet. Dort mühte man sich auch darum, dass die Botschafter der Siegermächte nach Dresden kommen. Es fällt aber auf, dass der Regierungschef insgesamt bei dem Thema eher zurückhaltend ist.

Es scheint, als ob Milbradt den Kampf gegen den Rechtsextremismus und die Auseinandersetzung mit den NPD-Parolen bislang nicht zu seinem zentralen Thema gemacht hat – obwohl die NPD bei der Landtagswahl 9,2 Prozent der Stimmen holte und obwohl sie nun die Bombardierung Dresdens für ihre Zwecke instrumentalisieren will.

Tatsächlich beschäftigt sich der Regierungschef derzeit mit vielen anderen Dingen. Etwa mit Ungereimtheiten bei der Landesbank, für die eigentlich der Finanzminister zuständig ist. Oder mit Differenzen zwischen seiner CDU und dem Koalitionspartner SPD darüber, ob der genetische Fingerabdruck zum Standard der erkennungsdienstlichen Behandlung Verdächtiger gemacht werden sollte oder nicht. In seiner Umgebung heißt es, die Zurückhaltung beim Thema Rechtsextremismus habe wohl auch mit den unbekannten Abgeordneten zu tun, die in der Vergangenheit bei geheimen Wahlen mehrmals ihr Kreuz bei der NPD machten und die in der CDU vermutet werden. Da schwingt wohl das Unbehagen mit, zu harsche Töne gegen rechts könnten ihm den Vorwurf einbringen, er habe ja nicht einmal seine eigene Truppe im Griff.

Lars Rischke[Dresden]

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