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Politik: Annexionspläne aus Ankara

Vor dem Zyperntreffen stellt die Türkei ein Ultimatum

Von Thomas Seibert, Istanbul

Nach fast drei Jahrzehnten der Teilung steht der Streit um die Mittelmeerinsel Zypern vor einer entscheidenden Wendung: Wenn es bis Ende des Jahres keine Lösung im Streit zwischen Türken und Griechen auf der Insel gibt, will sich die Regierung in Ankara selbst zur Vertreterin der Zyperntürken ernennen. Das Außen- und das Verteidigungsministerium der ohnehin nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern" (TRNC) sollen dann ganz aufgelöst werden. TRNC-Chef Rauf Denktasch und die türkische Regierung haben die Annexions-Pläne publik gemacht, um vor dem Gipfeltreffen von zyprischen Griechen und Türken mit UN-Generalsekretär Kofi Annan an diesem Freitag Druck zu erzeugen.

Seit Monaten tüfteln Politiker, Verfassungsexperten und Unterhändler in Nikosia an einer Friedenslösung für Zypern. Nennenswerte Fortschritte sind dabei bisher jedoch nicht erzielt worden; Denktasch und der griechisch-zyprische Präsident Glafcos Clerides wollen sich deshalb mit Annan in Paris treffen, um die Gegensätze zu überwinden.

Doch den UN-Vermittlungsbemühungen droht das Aus, wenn sich bewahrheitet, was Denktasch und der als Zypern-Hardliner bekannte türkische Außenminister Sükrü Sina Gürel in Interviews zu Protokoll gegeben haben. Wenn es bis Ende des Jahres keine Einigung gibt und die griechische Inselrepublik allein in die EU aufgenommen wird, dann soll Nordzypern weiter in den türkischen Staatsverband „integriert" werden. Eine EU-Aufnahme des griechischen Inselteils ohne vorherige Einigung mit den Türken wäre „das Ende des Weges", sagte Denktasch.

Die Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik könnten nach Denktaschs Aussagen in diesem Fall ganz an Ankara übergeben werden. Gürel bestätigte im türkischen Fernsehen, im Falle einer „falschen" Zypern-Entscheidung der EU werde die Vereinigung der Türkei und der TRNC vorangetrieben. Schon jetzt hängt Denktaschs Inselteil politisch und finanziell völlig von der Türkei ab. Die Verhärtung der türkischen Position zielt offenbar darauf ab, vor der Entscheidung über die EU-Aufnahme der griechischen Inselrepublik im Dezember noch Zugeständnisse der Gegenseite herauszuschlagen. Ministerpräsident Bülent Ecevit, der 1974 als junger Regierungschef den Truppeneinmarsch auf Zypern anordnet hatte, dürfte sich von einer harten Haltung im Zypern-Streit zudem auch wahltaktische Vorteile versprechen. Selbst wenn Gürel seine Annexions-Pläne in der Schublade lässt, dürfte es vor dem türkischen Wahltag am 3. November kaum Signale der Kompromissbereitschaft aus Ankara geben.

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