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Anschläge: Vierter Attentäter kam aus Jamaika

Eine Woche nach den Selbstmordanschlägen von London wird in Großbritannien weiter intensiv nach den Hintermännern gefahndet. Unterdessen hat die Polizei einen Jamaikaner als vierten Täter identifiziert. (14.07.2005, 17:58 Uhr)

London - Unter Berufung auf Polizeiquellen meldete die Presse, dass ein möglicher fünfter Attentäter gesucht werde. Bilder von Überwachungskameras zeigen demnach, dass die vier Attentäter kurz vor ihrer Tat auf einem Bahnsteig in der Vorstadt Luton noch mit einem fünften Mann zusammenstanden. Die britische Polizei forderte die Öffentlichkeit zur Hilfe bei den Ermittlungen auf.

Als Täter wurden vier muslimische Selbstmordattentäter im Alter von 18 bis 30 Jahren identifiziert. Drei stammten aus der nordenglischen Stadt Leeds und waren in England zur Welt gekommen. Nach Angaben der Polizei vom Donnerstag handelte es sich bei dem vierten Terroristen um Lindsey Germaine, der in der Grafschaft Buckinghamshire wohnte und in Jamaika geboren wurde.

Die britische Polizei fahndete am Donnerstag weiter nach möglichen Hintermännern und Komplizen. Nach einem Bericht der «Times» glaubt Scotland Yard, den Drahtzieher der Anschläge identifiziert zu haben, einen Briten pakistanischer Herkunft mit El-Kaida-Kontakten. Er sei im vergangenen Monat in einem britischen Hafen eingetroffen, um den vier Selbstmordattentätern Anweisungen zu geben. Möglicherweise sei er auch der Bombenbauer, berichteten andere Medien. 24 Stunden vor den Anschlägen habe er das Land wieder verlassen.

Gefahndet wurde nach Berichten auch nach einem ägyptischen Chemiestudenten, der aus seinem Haus in Leeds verschwunden ist. Die Polizei veröffentlichte außerdem Aufnahmen den Busattentäters Hasib Hussain (18), in der Hoffnung, von möglichen Augenzeugen weitere Details über das Geschehen zu bekommen. Ein Polizeisprecher sagte, die Ermittlungen würden noch Monate in Anspruch nehmen.

Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone und der Geschäftsführer der U-Bahn, Tim O'Toole, sagten, es gebe leider keinen Schutz gegen Selbstmordattentäter in Bussen und Bahnen. Unerkannt könne wegen der vielen Überwachungskameras kaum jemand eine solche Tat begehen, doch wer bereit sei, sein Leben zu geben, lasse sich von Kameras natürlich nicht abschrecken.

Die britischen Medien wurden von der Frage beherrscht, wie es kommen konnte, dass vier in Großbritannien geborene junge Männer ihr eigenes Land angriffen. Experten erläuterten, viele junge Muslime aus Einwandererfamilien seien in einer zwiespältigen Situation: Die Eltern hätten das Heimatland und dessen Kultur hinter sich gelassen, aber die Träume von einem besseren Leben im Westen hätten sich oft nicht voll erfüllt. Der «Krieg gegen den Terror», der Irakkrieg und der Nahostkonflikt hätten unter diesen Männer das Gefühl verstärkt, ungerecht behandelt zu werden. Eine extremistische Auslegung des Islams biete dann manchmal die ersehnte Orientierung, sagte etwa der französische Islamforscher Olivier Roy.

Unterdessen sprachen sich Unions- und SPD-Politiker für eine gezielte Ausweitung der Videoüberwachung in Deutschland aus. Eine flächendeckende Beoachtung öffentlicher Plätze per Kamera lehnen die Parteien wegen Bedenken vor zu großen Einschränkungen der Bürgerrechte aber ab. Die Möglichkeiten, mit V-Leuten bessere Einblicke in islamische Gemeinschaften zu bekommen, sollen nach Forderungen aus der Union stärker ausgeschöpft werden. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland befürwortete eine stärkere Überwachung der Moscheen. (tso)

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