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Der Pächter eines Imbisses in der Liegenschaft der Polizei in Magdeburg soll sei seit den 1990er Jahren als „Jude“ bezeichnet worden.

© Sebastian Gabsch PNN

Antisemitismusaffäre in Polizei von Sachsen-Anhalt: Imbisspächter jahrelang als „Jude“ bezeichnet

Die Ressentiments in der Bereitschaftspolizei machen Innenminister Stahlknecht wütend. Er kündigt eine Sonderkommission an und stellt sich gegen Horst Seehofer.

Von Frank Jansen

In der Bereitschaftspolizei von Sachsen-Anhalt gibt es offenbar einen schon länger schwelenden Fall von Antisemitismus. Der Pächter eines Imbisses in der Liegenschaft der Polizei in Magdeburg sei seit den 1990er Jahren als „Jude“ bezeichnet worden, sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Montag dem Tagesspiegel.

Er werde den Fall „mit aller Härte“ aufklären, betonte Stahlknecht. Dazu wendet er sich auch indirekt gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Stahlknecht schließt sich der Initiative seines niedersächsischen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) an, eine Studie zu extremistischen Einstellungen in der Polizei zu erstellen. Seehofer lehnt bislang Untersuchungen zu Rassismus in den Sicherheitsbehörden ab.

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Stahlknecht hatte vergangenen Freitag von einer anonymen Mail erfahren, die beim dienstlichen Postfach eines Streifenbeamten im Polizeirevier Burgenlandkreis eingegangen war. In dem Schreiben heißt es, in der Bereitschaftspolizei werde der Imbiss „stets als Jude bezeichnet“.

Der Absender gab an, „die komplette Dienststelle“ der Landesbereitschaftspolizei haben den Fall gekannt „und tat nichts zur Unterbindung oder leitete Disziplinarverfahren/Strafverfahren ein“. Dieser institutionelle Antisemitismus müsse aufhören, forderte der E-Mail-Schreiber und bat darum, „Sensibilität zu schaffen“.

Stahlknecht für Null-Toleranz-Strategie

Die Vorwürfe seien über das Wochenende geprüft worden und hätten sich bestätigt, sagte Stahlknecht. Das werde nicht hingenommen. Er sei „zutiefst betroffen, erschrocken, auch wütend und erschüttert“. In diesem Punkt gebe es für ihn eine „Null-Toleranz-Strategie“.

Erschrocken und wütend. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) reagiert heftig auf die Antisemitismusaffäre in der Bereitschaftspolizei des Landes.
Erschrocken und wütend. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) reagiert heftig auf die Antisemitismusaffäre in der Bereitschaftspolizei des Landes.

© Hendrik Schmidt/dpa

Nach Recherchen des Tagesspiegels ist allerdings offen, wie lange das antisemitische Mobbing dauerte. Der Pächter hat offenbar den Imbiss schon vor einiger Zeit verlassen.

Der Minister will es jedoch nicht bei starken Worten belassen. Er kündigte eine „unabhängige Sonderkommission zu institutionellem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Landespolizei Sachsen-Anhalt" an, die von dem früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag geleitet werden soll. Die Kommission wird bei Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) angesiedelt.

Montag war bereits in ähnlicher Mission in Sachsen-Anhalt tätig. Er und der frühere Münchener Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel untersuchten als Sonderermittler die Umstände des Todes von Oury Jalloh, der 2005 in einer Polizeizelle in Dessau verbrannt war. Montag und Nötzel stellten im August 2020 in ihrem Abschlussbericht fest, die Polizei habe schwere Fehler gemacht. Es gebe aber keine Hinweise auf eine Ermordung des Afrikaners durch Beamte.

Verfassungsschützer wird Extremismusbeauftragter

Als weiteren Punkt neben der Sonderkommission und der Studie zu extremistischen Einstellungen in der Polizei verkündete Stahlknecht die Einsetzung eines Extremismusbeauftragten. Der Posten ist ein Novum in Sachsen-Anhalt. Beauftragter wird Stefan Damke, bislang Ministerialrat im Innenministerium und im Verfassungsschutz tätig. Damke übernimmt auch die Leitung der Zentralen Beschwerdestelle. „Wir wollen damit eine Möglichkeit schaffen, sich vertrauensvoll an einen Ansprechpartner außerhalb der Polizeihierarchie wenden zu können“, sagte Stahlknecht.

Kommende Woche will er zudem mit den Führungskräften der Polizei über Antisemitismus und weitere extremistische Einstellungen sprechen. Stahlknecht will „sehr unmissverständlich meine und damit auch ihre Ansprüche an jeden Einzelnen in der Landespolizei, besonders aber an Führungskräfte, herausstellen“. Er sei sicher, „dieser deutliche Appell wird seine Wirkung nicht verfehlen“

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