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Politik: Arbeit ohne Bündnis

SCHRÖDERS REFORMEN

Von Lorenz Maroldt

Endlich mal Konsens, jedenfalls im Prinzip. Das Bündnis für Arbeit? „ Ist tot“, sagt Gewerkschaftsboss Sommer. „Wird es so nicht mehr geben“, erklärt der Präsident des Industrieverbandes. „Wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben“, verkündet der Kanzler.

Und fast alle wirken erleichtert. An die Idee einer Konsensgesellschaft, die ihre Probleme problemlos löst, indem sie darüber nur redet, glaubt niemand mehr – wenn denn je irgendwer daran glaubte. Genutzt hat das Bündnis nie der Gesellschaft, allenfalls den Gesellschaftsvertretern, denn die sonnen sich im fahlen Anschein nur schon der Bereitschaft zur Tat.

Alle Seiten haben dabei ein Interesse behauptet – den Abbau der Arbeitslosigkeit –, das sich nur zum Teil mit ihren tatsächlichen, weiter gehenden Interessen deckt. Die Gewerkschaften verteidigen, dafür bezahlt, die Interessen ihrer Arbeit besitzenden Mitglieder. Die Arbeitgeberverbände vertreten Unternehmen, die an Entlassungen verdienten. Gesamtverantwortung tragen beide höchstens moralisch, wenn überhaupt. Und die Politik, die als Einzige allen verantwortlich ist? Die moderiert lieber erfolglos, als sich gewagt zu entscheiden. Die Bündnisteilnehmer haben sich Partner genannt – das waren sie nie.

Und jetzt? Ist das Ende vom falschen Konsens der Beginn von echtem Krawall? Es scheint fast so. Eine „Plage“ nannte FDPChef Westerwelle die Gewerkschaftsführer. Aber die wahre Plage war der naive Versuch, es in verzweifelter Lage allen recht zu machen und niemandem wehzutun. Erlöst uns jetzt der Kanzler davon? Schröder hat angekündigt, am 14. März ein „angemessenes und in sich gerechtes Reformprogramm“ vorzulegen. Daran ist richtig und gut, dass die Politik ein wirkungsloses Prinzip aufgibt, ja umkehrt: Bisher sollte unter der Moderation des Kanzlers ein Wunder geschehen; jetzt wird er, wenn er tut, was er sagt, zum Macher. Die Verbände haben sich auf ihn einzustellen.

Das muss nicht bedeuten, dass es Konsens nicht mehr gibt. Aber es wird ein anderer sein, vielleicht wie im Land Berlin. Hier hat der Senat, in ähnlich verzweifelter Lage, scheinbar Ungeheures gewagt: im Streit mit den Gewerkschaften das Gewürge beendet, neue Maßstäbe gesetzt, darüber ein neues Gespräch angeboten. Das war nicht fair, aber Fairness gibt es immer nur relativ. Allein mit Worten zu provozieren, wie Westerwelle, wie Friedrich Merz, führt nicht voran. Entscheidungen suchen, nicht Entschuldigungen, gar Schuldige: Das ist die Aufgabe der Politik. Sie muss auch überzeugen. Und das kann sie mit einem Ergebnis. Mit einem Erfolg aber noch besser.

Was skeptisch stimmt an den Worten des Kanzlers: Dass etwas geschehen muss, hat er schon oft gesagt; wir haben es in seiner Regierungserklärung gehört, im Koalitionsvertrag gelesen. Nur das Wie, das ist er schuldig geblieben. „Angemessen und in sich gerecht“ soll sein Reformprogramm sein. Angemessen – gemessen woran? Und wie geht das: in sich gerecht? Auch das kann, wie die Fairness, in einem Land mit bald fünf Millionen Arbeitslosen doch nur relativ gemeint sein, in Bezug auf die Größe des Problems, nicht auf die Macht der Interessengruppen.

Was die Hoffnungen nährt ist, dass Schröder nichts mehr zu verlieren hat – außer dem Parteivorsitz und der Kanzlerschaft. Von Sozialdemokraten und anderen Deutschen hat er zu viel befürchtet und zu wenig erwartet. Will Schröder bleiben, muss er sich bewegen. Aber nicht so wie bisher, mit einem Bein auf dem Boden, und dann, je nach Lust und Laune, mit dem anderen mal einen Ausfallschritt hierhin, dann dorthin, bald sonst wohin, weil ihm immer gleich wieder einer auf die Zehen tritt. Nur Ideen helfen nicht weiter. Jetzt oder nie muss ein Konzept, das diesen Namen verdient, eines mit Wie und Wann, von Schröder vorlegt werden.

Und dem Wohin. Das Strategiepapier aus dem Kanzleramt, seit ein paar Wochen bekannt, weist den Weg. Entlastung bei Abgaben und Steuern, mehr Eigenbeteiligung, weniger Geld für Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfängern. Radikal, um nicht zu sagen: brutal. Ist das angemessen, ist das gerecht? Was denn sonst, wenn es in dieser dramatischen Situation hilft, Arbeit zu schaffen. Denn wenn das nicht gelingt, steht mehr auf dem Spiel als Konsens und Kanzler.

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