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Politik: Arbeitsmarktpolitik: Das neue Zauberwort heißt "Flexicurity"

Je näher die Bundestagswahl rückt, desto stärker scheinen sich die beiden Koalitionsparteien SPD und Grüne an ein zentrales Wahlversprechen von 1998 zu erinnern: die Arbeitslosigkeit drastisch zu senken. Zwar gab es in diesem Frühjahr erstmals seit fünf Jahren weniger als vier Millionen Arbeitslose.

Je näher die Bundestagswahl rückt, desto stärker scheinen sich die beiden Koalitionsparteien SPD und Grüne an ein zentrales Wahlversprechen von 1998 zu erinnern: die Arbeitslosigkeit drastisch zu senken. Zwar gab es in diesem Frühjahr erstmals seit fünf Jahren weniger als vier Millionen Arbeitslose. Doch "der Rückgang der Arbeitslosigkeit schwächt sich mehr und mehr ab", stellen die Grünen alarmiert in einem arbeitsmarktpolitischen Grundsatzpapier fest, das die Fraktionsvorsitzenden Kerstin Müller und Rezzo Schlauch mit der Sozialexpertin der Fraktion, Thea Dückert, am Freitag in Berlin vorstellten. Auch deswegen wollen SPD und Grüne die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik mit einer Reform des Sozialgesetzbuches III (SGB III) flexibler gestalten.

Das Ziel der arbeitsmarktpolitischen Reformen beschrieb Schlauch mit den Worten: "Wir wollen die Wege in den ersten Arbeitsmarkt durchlässiger machen." Wie sich die Grünen das konkret vorstellen, haben sie in dem 15-seitigen Papier "Neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik" zusammengefasst. Doch nicht alles, was sie dort fordern, stößt beim sozialdemokratischen Koalitionspartner auf Zustimmung. Abgelehnt wird zum Beispiel die bedarfsorientierte Grundsicherung, die die Grünen stufenweise einführen wollen. Dabei soll am Ende "mit der bedarfsorientierten Grundsicherung die Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammengeführt werden, damit Brüche und Unterbrechungen in den Erwerbsverläufen für alle diskriminierungsfrei abgesichert werden können". "Das scheint mir nicht zu Ende gedacht", kommentierte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Thönnes und fügte hinzu, wo er den Schwerpunkt sieht: "Arbeitslose brauchen Hilfe zur Selbsthilfe."

Einig sind sich die Koalitionspartner darin, dass ABM und Qualifizierungsmaßnahmen stärker auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet werden müssen. Die Reform des SGB-III dürfte also die Weiterbildungsträger stärker in die Verantwortung einbeziehen, Arbeitslose in neue Jobs zu vermitteln. Qualifikationsangebote sollen sich künftig außerdem auch an die wenden, die nach heutigem Recht ausgeschlossen sind. Das gilt zum Beispiel für Frauen in der Erziehungspause. Ein wichtiger Punkt sei auch, den Arbeitsämtern ein neues Profil zu geben, kündigte Thea Dückert an. Sie sollen künftig gemeinsam mit den Arbeitslosen Eingliederungspläne erstellen, die für die Arbeitssuchenden verbindlich sind. "Fördern und fordern", nennt Thönnes das. Wie aber soll das in der Praxis aussehen, wenn ein Mitarbeiter im Amt bis zu 700 Arbeitslose zu betreuen hat? Dückert meint, dass 80 Prozent aller Arbeitslosen in der Regel schnell neue Jobs finden. "Die Eingliederungspläne sind für die, die schlechtere Chancen haben", sagt sie.

Die zuständigen Arbeitsgruppen von SPD und Grünen wollen ihre gemeinsamen Eckpunkte für das neue SGB III Ende Mai verabreden. Im Juni steht das Thema dann bei den Koalitionsfraktionen auf der Tagesordnung. Thönnes hofft, dass die Reform im Herbst im Bundestag beraten wird und zum 1. Januar 2002 in Kraft treten kann. Durch befristete Lohnsubventionierung für Arbeitslose soll dann auch ein sozial verträglicher Übergangsmarkt unterstützt werden. "Wir wollen die Vielfalt der Zuschüsse zusammenfassen", kündigte Thönnes an. Dückert erklärte, Arbeitslose sollten sich im Rahmen ihrer Eingliederungspläne selbständig um Arbeitsplätze mit befristeten Lohnkostenzuschüssen bemühen können. Die weitergehende Forderung der Grünen nach Kombilöhnen für Langzeitarbeitslose lehnt die SPD noch ab. "Es ist ein bisschen voreilig, was da steht", sagte Thönnes zum Grünen-Papier. Er will erst einmal die Ergebnisse der Modellversuche abwarten, in denen solche Projekte erprobt werden.

Das neue Zauberwort, mit dem die Grünen ihre Arbeitsmarktpolitik beschreiben, heißt "Flexicurity" - die englischen Begriffe "flexibility" (Flexibilität) und "security" (Sicherheit) aufnehmend. Sie hoffe, dass der Begriff "angenommen wird, obwohl er englisch ist", meinte Kerstin Müller. Warum nicht auch auf deutsch? Sozialdemokrat Thönnes hält die Übersetzung mit Blick auf das neue Motto seiner Partei schon bereit: "Was die Flexicurity nennen, heißt bei uns Sicherheit im Wandel."

Carsten Germis

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