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© Katharina Eglau

Assuan: Ein Staudamm als Eckpfeiler ägyptischer Identität

Vor 50 Jahren begann der Bau des Staudamms von Assuan – bis heute ist das ganze Land stolz darauf.

Erst gab es eine Detonation, dann spritzten Sandfontänen in die Höhe. Die vielen tausend Arbeiter auf den Uferanhöhen brachen in Jubel und Hochrufe aus. „Die reaktionären Mächte hatten sich gegen uns verbündet, um diesen Bau zu verhindern“, rief Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser ins Mikrofon. Doch die Solidarität zwischen Ägypten und der Sowjetunion habe alle Hindernisse überwunden. Neben ihm auf der Ehrentribüne strahlte Kremlchef Nikita Chruschtschow, gerahmt von den damaligen Präsidenten des Irak und des Jemen.

Was vor 50 Jahren am 9. Januar 1960 mit der Grundsteinlegung begonnen hatte, dessen erste Bauphase wurde im Mai 1964 mit dieser kontrollierten Sprengung abgeschlossen. Fortan floss der Nil in seinem neuen Bett. Doch es sollte noch weitere sieben Jahre bis 1971 dauern, bis die gigantische Sperre fertig war und sich der größte künstlich aufgestaute See der Menschheit so weit gefüllt hatte, dass die zwölf Turbinen mit der Stromproduktion beginnen konnten. Als das „achte Weltwunder“ pries Chruschtschow damals das Superprojekt russischer Ingenieurkunst und verdammte im gleichen Atemzug „die imperialistischen Mächte und ihre Agenten“. Gemeint waren Großbritannien, Frankreich und die USA, die nach langem Hin und Her eine Finanzierung des 2,2 Milliarden Euro teuren Projektes aus politischen Gründen verweigert hatten. Nasser, der Ägypten zur sozialistischen Republik ausgerufen hatte, wandte sich daraufhin an Moskau. Ein gigantisches Betonmahnmal in Form einer Lotusblüte erinnert bis heute an die einstige Hilfe der sowjetischen Genossen.

Für den ägyptischen Präsidenten war der Damm mit dem Kraftwerk ein großer Gewinn an Prestige. Bis heute zeigt man Besuchern in der Verwaltungszentrale einen zuckelnden Schwarz-Weiß-Film, der die damalige Atmosphäre noch einmal aufleben lässt. „Unser Volk kann das Unmögliche möglich machen“, kommt eine Stimme dröhend aus den Lautsprechern, unterlegt mit Musik aus Peter Tschaikowskys erstem Klavierkonzert. „Denn wer Pyramiden errichten kann, kann auch einen solchen Damm vollenden.“

Seither zählen Staumauer und Nassersee nahe Assuan ebenso zu den Eckpfeilern der ägyptischen Identität wie der Suezkanal und die antiken Weltwunder der Pharaonen. Das Volumen von 17 Cheops-Pyramiden sei hier verbaut worden, erläutert Technikdirektor Mohamed Hansari. 30 000 ägyptische Arbeiter und 2000 sowjetische Ingenieure schufteten in glühender Hitze auf der fast vier Kilometer langen Großbaustelle. 450 Menschen fanden den Tod. „Bisher gibt es keinerlei Risse“, bilanziert stolz Ingenieur Hansari. Die ganze Konstruktion sei ohne Zement gemacht, nur aus Steinen, Sand und Fels. Im Inneren sorgt ein Lehmkern dafür, dass das Wasser den 980 Meter breiten und 111 Meter hohen Wall nicht aufweicht.

Für Ägypten war der Damm ein großer Sprung nach vorn. 79 Prozent des damaligen Strombedarfs ließen sich fortan mit einem Schlag durch Wasserkraft erzeugen, heute sind es noch neun Prozent. Aber dieser Fortschritt hatte einen hohen Preis. Die natürliche Düngung der Felder durch die Schwebstoffe im Nilwasser ist seitdem stark zurückgegangen. Das meiste bleibt als Sediment am Damm hängen. Wegen des Schlammmangels wächst das Nildelta nicht mehr und wird durch die Brandung des Mittelmeers immer stärker abgetragen. Südlich von Assuan verloren 140 000 Nubier durch den Stausee ihre Heimat. 45 ihrer Ortschaften mussten sie räumen. Lediglich zwei Dutzend Tempel, darunter die von Abu Simbel, Kalabscha und Philae, konnten in einer aufwändigen internationalen Rettungsaktion erhalten werden. Die meisten Kulturschätze jedoch versanken für immer in den Fluten.

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