zum Hauptinhalt

Atomausstieg: Die Energiewende hat ihren Preis

Mit einem Sechs-Punkte-Plan will die Bundesregierung die Energiewende bewerkstelligen. Zum Nulltarif ist diese aber nicht zu haben.

Von

Der beschleunigte Ausstieg aus der Atomenergie, sagt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), sei „nicht zum Nulltarif“ zu haben. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat Röttgen einen Sechs-Punkte-Plan vorgelegt, in dem beide Minister einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren fordern. Wie teuer dieser letztendlich werden wird und wer ihn bezahlen soll, ist allerdings umstritten.

Was fordern Röttgen und Brüderle in ihrem Sechs-Punkte-Plan?

Mit Milliardenbeträgen wollen der Umwelt- und der Wirtschaftsminister den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland voranbringen. Ab diesem Frühjahr soll der Bau von Windkraftanlagen auf dem Meer („Offshore“) mit fünf Milliarden Euro unterstützt werden. Außerdem soll die Förderung der energetischen Gebäudesanierung schrittweise auf zwei Milliarden Euro angehoben werden. Für 2011 sind bislang 450 Millionen Euro vorgesehen. In dem Arbeitspapier der Ministerien sind außerdem Millionenbeträge für Energieforschung vorgesehen.

Welche Investitionen sind für die Energiewende erforderlich?

In den kommenden Jahren sind laut der Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, Investitionen von jährlich rund 20 Milliarden Euro notwendig. „Es muss in die Erneuerung des Kraftwerkparks, in neue Stromnetze und den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werden“, sagt die Professorin. Je mehr Atomkraftwerke vom Netz gehen, desto mehr Leitungen müssen quer durchs Land verlegt werden, um den Strom an sein Ziel zu transportieren. Die Deutsche Energieagentur schätzt die Kosten bis 2020 für 3600 Kilometer neue Leitungen auf 9,7 Milliarden Euro. Eine andere Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hingegen kommt nur auf einen Bedarf von 500 Kilometern.

Um den Atomstrom schrittweise zu ersetzen, müssen in den nächsten Jahren zusätzliche Anlagen gebaut werden: von Solar- und Windkraftanlagen bis hin zu Gaskraftwerken. Das Umweltministerium geht aber in seinen Prognosen davon aus, dass die Stromnachfrage in den nächsten Jahren sinken wird. Verantwortlich dafür ist die steigende Energieeffizienz: Haushaltsgeräte verbrauchen weniger Strom und Industriemotoren werden sparsamer.

Die Umweltorganisation Greenpeace hält einen Atomausstieg bis 2015 und die Abschaltung aller großen Kohlekraftwerke bis 2030 für machbar. Die erforderlichen Investitionen beziffern die Greenpeace-Experten auf 110 Milliarden Euro. Dem stünden aber 145 Milliarden Euro an Einsparungen etwa bei den Ausgaben für Brennstoffe gegenüber.

Welche Ausfälle muss der Bund wegen der Atomwende verkraften?
Die vier großen Atomkonzerne haben ihre Zahlungen an den Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien eingestellt. Mit dem Stopp der Laufzeitverlängerung fühlen sie sich auch nicht mehr an ihre Zahlungsverpflichtung gebunden. Allein in diesem und dem nächsten Jahr sollten die Unternehmen 600 Millionen Euro in den Fonds zahlen, bis 2016 weitere 800 Millionen Euro. Gemeinsam mit der Versteigerung von CO2-Zertifikaten, mit denen Unternehmen ihren Kohlendioxidausstoß „erkaufen“ können, sollten am Ende insgesamt 16,9 Milliarden Euro zur Förderung erneuerbarer Energien zusammenkommen. Damit sollte ein Teil der Zusatzgewinne durch die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung abgeschöpft werden. Bisher sind lediglich 75 Millionen Euro im Topf. Auf den Bund kommen darüber hinaus Ausfälle bei der Brennelementesteuer zu, die bis 2016 mit jährlich 2,3 Milliarden Euro eingeplant ist. Die Steuer wird fällig, wenn in einem Atomkraftwerk ein Brennelement ausgetauscht wird. Da acht Meiler vorübergehend abgeschaltet sind (und vielleicht nicht mehr ans Netz gehen), müssen die Akw-Betreiber seltener Brennelemente wechseln und somit auch weniger Steuern zahlen.

Wer soll die Energiewende bezahlen?

Das ist umstritten. Nach Ansicht der DIW-Forscherin Kemfert muss das Geld für die Investitionen größtenteils aus der privaten Wirtschaft kommen. Allein durch den Anstieg des Ölpreises von 100 auf 120 Dollar pro Barrel werde die deutsche Wirtschaft mit 20 Milliarden Euro pro Jahr belastet. Für die Unternehmen seien die Investitionen in erneuerbare Energien daher lohnend. Die geplanten zusätzlichen Ausgaben des Bundes für Forschung oder energetische Gebäudesanierung könnten nach Ansicht der DIW-Expertin etwa durch die Versteigerung von CO2-Zertifikaten gegenfinanziert werden: „Das würde sofort 200 Millionen Euro bringen.“

Wie wirkt sich die Energiewende auf den Strompreis aus?

„Der Strompreis wird durch die Energiewende nur leicht steigen“, erwartet die DIW-Wissenschaftlerin Kemfert. Preissteigernd sei unter anderem der höhere Börsenpreis durch die Verknappung der Strommengen. Gleichzeitig werde es mehr Wettbewerb geben, was die Preise senke. Langfristig, heißt es in verschiedenen Studien, besitze Stromerzeugung durch erneuerbare Energien deutliche Kostenvorteile gegenüber einer Stromerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe.

Welche Pläne zur Finanzierung der Energiewende hat die Politik?

Kurz gesagt: Keine. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier brachte es am Dienstag auf den Punkt. Der Rückzug werde kopflos und ohne Rücksicht auf die Kosten angetreten, warf er der Koalition vor. Womit er allerdings zu bemänteln suchte, dass es auch in seiner Partei keine Finanzierungspläne gibt.

Im Regierungslager wird zur Zeit heftig gerechnet. Niemand will Zahlen nennen, die sich hinterher noch als zu hoch oder zu niedrig erweisen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat klar gemacht, dass er keine Zusatzausgaben hinnehmen will. Ohnehin muss er im laufenden Etat die zu erwartenden Ausfälle aus der Brennelementesteuer und dem Fonds zur Förderung erneuerbarer Energie gegenfinanzieren. Ob dazu die Mehreinnahmen aus dem Konjunkturaufschwung reichen werden, die die Regierung erwartet, ist ungewiss. Röttgen aber will mehr Geld für Förderung und Forschung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false