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IAEO-Chef Amano will sich in Japan ein Bild von der Lage machen.

© dpa

Energiebehörde kann nicht handeln: Atomwächter ohne Einfluss

Die Internationale Atomenergiebehörde hat weder die nötige Macht noch die nötigen Instrumente, um eine sichere Nutzung der Kernkraft zu gewährleisten.

Die Atomkatastrophe in seiner Heimat Japan zwingt Yukiya Amano zu einem riskanten Drahtseilakt. Der bedächtige Amano (63), der seit 2009 die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien leitet, muss trotz des Megaunfalls weiter den Glauben an die Kernkraft stärken. Das hört sich dann so an: „Dieser Unfall aufgrund gewaltiger Kräfte der Natur ändert nichts an der Tatsache, dass wir eine stabile Energiequelle brauchen.“ Und diese stabile Energiequelle liegt nach Amanos Überzeugung in den weltweit rund 440 Atomreaktoren zur Stromerzeugung in etwa 30 Ländern. Über weitere 60 Länder liebäugeln mit einem eigenen Atomprogramm, die meisten davon sind Entwicklungsländer.

Dass mit dem zügigen Ausbau der Kernkraft auch das Risiko von Unfällen steigt, liegt auf der Hand. Selbst die IAEO muss zugeben: „Viele Mitgliedsländer“ seien nicht angemessen auf nukleare Notfälle vorbereitet. Mindestens genauso schwerwiegend: Die IAEO hat weder die nötige Macht noch die nötigen Instrumente, um eine sichere Nutzung der Kernkraft zu gewährleisten. Ihre Fachleute dürfen nur auf Einladung aus den Ländern Atomkraftwerke auf Sicherheitsmängel kontrollieren.

Auch existieren keine weltweit bindenden Sicherheitsstandards für Nuklearanlagen. „Nukleare Sicherheit liegt in der Verantwortung der IAEO-Mitglieder“, betonte Amano nach dem Desaster in seiner Heimat. Diese eklatanten Lücken im Regime der internationalen Atomenergie bereiten unabhängigen Experten schon lange Sorgen. So fordert der Aachener Professor für Reaktorsicherheit und -technik, Hans-Josef Allelein: „Man muss sich weltweit auf einheitliche harte Sicherheitsstandards einigen, die dann auch kontrolliert werden müssen.“

Auch bei einem Unfall wie in Japan sind der Atomenergiebehörde zunächst die Hände gebunden: Sie darf sich erst voll einschalten, wenn das betroffene Land das so will. So bot die IAEO nach den ersten beunruhigenden Nachrichten aus Japan am vergangenen Freitag dem Inselstaat ihre Expertendienste an. Die Japaner gingen auf die Offerte ein, verlangten die Entsendung von Spezialisten. Die Fachleute sollen etwa vor Ort Auswirkungen der Strahlungen auf Menschen untersuchen.

In einem Punkt haben sich die Japaner allerdings verpflichtet: Sie müssen alle Informationen über den Unfall an die IAEO leiten. Doch auch hier scheint es zu hapern. „Die Kommunikation muss gestärkt werden“, mahnte Amano seine Landsleute. Mit anderen Worten: Die IAEO kann wahrscheinlich kein genaues Bild von der Katastrophe zeichnen. Auf die Infos der IAEO aber sind die IAEO-Mitgliedsländer dringend angewiesen: Die IAEO-Spezialisten halten die Emissäre der Staaten bei täglichen Notsitzungen auf dem Laufenden.

Amano traf am Donnerstag in der japanischen Hauptstadt Tokio ein. Der Chef der IAEO will sich vor Ort ein Bild vom Ausmaß des Unfalls zu machen. „Wir wollen zu den Anlagen“, sagte Amano kurz vor seiner Abreise. Ob er selbst oder nur seine Experten nach Fukushima reisen werden, war allerdings zunächst noch unklar. Amano wird von sechs IAEO-Experten begleitet.

Am Samstag wolle er wieder in Wien sein, sagte Amano. Im Anschluss an die Japanreise des IAEO-Chefs soll der Gouverneursrat, das Leitungsgremium der Atomenergiebehörde, zu einer Sondersitzung zu Japan zusammenkommen.

Jan Dirk Herbermann

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