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Politik: Attacken aus dem Zettelkasten

Im zweiten TV-Duell vor der NRW-Wahl ist Rüttgers angriffslustiger und Steinbrück gelassener

Für Hans Joachim Reck war die Sache schon klar, bevor die ersten Bilder über den Schirm gelaufen waren. „Das war ein eindeutiger Punktsieg“, jubilierte der CDU-Generalsekretär und schob dann – reichlich euphorisiert – hinterher: „Jetzt kann nichts mehr schief gehen“. Der CDU-Mann hatte seinen Chef zur Voraufzeichnung des zweiten TV-Duells mit Peer Steinbrück nach Bochum begleitet, und jetzt steht er im Foyer des Essener Saalbaus, wo Jürgen Rüttgers gleich an der Seite von Helmut Kohl an einem Verfassungssymposium teilnehmen wird. Rüttgers hätte das Duell fast wegen dieses Termins mit seinem alten Kabinettschef platzen lassen. Doch dann hatte man sich auf die TV-Aufzeichnung am frühen Nachmittag verständigt.

Während nun also Helmut Kohl am Ende der Veranstaltung wie immer gerührt dafür dankte, dass man ihm zu seinem Geburtstag nachträglich die Ehre eines Verfassungsseminars angedeihen ließ, liefen die ersten Bilder über die Mattscheibe. Im Gegensatz zum ersten Duell im Privatfernsehen wurde ein Unterschied schnell klar: Steinbrück und Rüttgers sprachen mehr mit den Moderatoren als mit- oder gegeneinander. Nur an wenigen Stellen blitzte Steinbrücks Schlagfertigkeit auf, als er etwa seinen CDU-Herausforderer nach seinem etwas länglich geratenen Eingangsstatement mit den Worten „nachdem Herr Rüttgers seine Wahlkampfrede schon gehalten hat, können wir zu den Fakten kommen“, in die Schranke zu weisen versuchte. Im Gegensatz zum ersten Duell nahm sich der Amtsinhaber allerdings deutlich zurück, unterbrach weniger – nur einmal mahnte er Rüttgers schmunzelnd: „Seien Sie nicht so nervös.“ Das hatte ihm sein Herausforderer beim ersten Duell vorgehalten.

Inhaltlich versuchte Rüttgers den Regierungschef mit jenen Zahlen zu drangsalieren, die er im Wahlkampf schon hundertfach genannt hat: Schulden, Unterrichtsausfall, Arbeitslosigkeit. „Wir brauchen einen Wechsel“, war die Kernbotschaft des angriffslustigen Kandidaten.

Steinbrück warf seinem Herausforderer vor, nicht immer bei den Fakten zu bleiben und gelegentlich die Meinung wie bei Hartz IV zu ändern. „Sie reden von Dingen, wo sie nicht präzise informiert sind“, hielt er ihm vor. Und als Jürgen Rüttgers Zuflucht bei etlichen vor ihm liegenden Papieren suchte, sagte er lächelnd: „Ich hätte gerne Ihren Zettelkasten.“ Rüttgers variierte die Kernbotschaft vom notwendigen Wechsel nach 39 Jahren, und Steinbrück hielt ihm entgegen, dass es eher auf die Politik und nicht die Dauer einer Regierungszeit ankomme – „oder wollen Sie das in Bayern auch sagen?“ In einer Blitzumfrage von Infratest dimap sahen 54 Prozent der Befragten Steinbrück als Sieger des TV-Duells, 32 Prozent Rüttgers.

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