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Politik: Auf dem Boden der Realität

Von Clemens Wergin

Tagelang hatte sich Israels Regierung gegen die Idee einer UN-Truppe gewehrt, die die Grenze zum Libanon sichern und die Hisbollah entwaffnen soll. Ein Vorschlag, den viele EU-Staaten und auch UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Spiel brachten. Nun spielt Israel den Ball zurück und erklärt sich bereit, eine Friedenstruppe mit UN-Mandat akzeptieren zu wollen – wenn es sich um eine von EU oder Nato geführte Mission handelt. Das ist ein geschickter Schachzug. Denn die Europäer wissen ja stets, was Israel gerade wieder falsch macht. Nun müssen sie zeigen, dass sie mehr zu bieten haben als gute Ratschläge. Und dass sie zum Beispiel bereit wären, das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel zu setzen, um jenen Frieden in Nahost herzustellen, der so gerne in Sonntagsreden beschworen wird.

Israel jedenfalls wird keinem Waffenstillstand nur um der Einigung willen zustimmen. Vor einem Ende der Angriffe auf die Hisbollah muss klar sein, wann die entführten Soldaten zurückgegeben werden und was die internationale Gemeinschaft konkret unternehmen will, um Israels Grenze in Zukunft sicherer und die libanesische Regierung zum Herr im eigenen Haus zu machen. Mit vagen Absichtserklärungen, die dann nie eingelöst werden – wie die Sicherheitsratsresolution 1559 – wird sich Jerusalem nicht zufrieden geben. Denn das würde bedeuten, dass sich Israel über kurz oder lang mit dem gleichen Sicherheitsproblem konfrontiert sieht wie zuvor.

Es ist kaum anzunehmen, dass normale UN-Truppen in der Lage wären, die vom libanesischen Premier Fuad Siniora geforderte internationale Hilfe bei der Entwaffnung der Hisbollah zu leisten. Die oft aus Kontingenten von Drittweltstaaten zusammengestellten Blauhelmsoldaten sind schlecht vorbereitet, Guerilla-Kämpfern wie der Hisbollah entgegenzutreten. Alternativen gibt es wenige. Eigentlich kann – neben den USA, die auf Ablehnung stoßen dürften – nur die Nato oder die EU solch eine Aufgabe bewältigen, erweitert vielleicht um Kontingente aus Russland und einigen moderaten muslimischen Ländern wie der Türkei und Ägypten.

Die Mission sollte ein so breites Spektrum an Staaten umfassen, dass der Vorwurf einer Rekolonialisierung des Libanon ins Leere läuft. Andererseits müssen die Missionsteilnehmer genug militärisches Gewicht aufbringen. Es genügt eben nicht, dass diese Mission ein robustes UN-Mandat enthält, sie muss zur Not auch robust reagieren können. Dass Europa oder die europäischen Schwergewichte Berlin und Paris sich heraushalten können, ist schwer vorstellbar. Zumal es auch nicht vermittelbar ist, dass französische und deutsche Soldaten in den Kongo geschickt werden, um Europas Interessen zu vertreten, sich aber aus einem Konflikt vor der Haustür heraushalten, der Europas Sicherheit direkt betrifft.

Der Nahe Osten war seit dem Beginn der gemeinsamen europäischen Außenpolitik Anfang der 70er Jahre ein Schwerpunkt der europäischen Diplomatie. Möglicherweise geht nun aber jene bequeme Ära zu Ende, in der Europa es dabei belassen konnte, sich auf Nahost-Erklärungen zu einigen, arabisch-europäische Gesprächsforen einzurichten und Schecks an die Palästinenser zu schicken. Kurz gesagt: Die EU steht vor einem Test ihrer Glaubwürdigkeit.

Die Aufgabe wäre gefährlich, schließlich war es der Hisbollah schon 1983 gelungen, französische und amerikanische Friedenstruppen mit Selbstmordattentaten aus dem Land zu treiben. Allerdings gibt es heute, anders als im Bürgerkrieg, ein einigermaßen funktionierendes politisches System im Libanon und eine wenn auch schwache Armee, die Stück für Stück die Macht im Südlibanon übernehmen könnte. Anders auch als die Israelis könnte solch eine Friedenstruppe auf die Sympathien vieler Libanesen zählen. Jener zumindest, die es leid sind, dass ihr Land von fremden Mächten wie Syrien und Iran für deren Kampf gegen Israel missbraucht wird. Diejenigen, die mit so viel Mut gegen Syriens Herrschaft gekämpft haben, verdienen etwas Besseres, als dass ihre wieder auferstandene Demokratie von Terroristen gekidnappt wird.

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