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Politik: Auf die Schiene setzen

Von Bernd Hops

Die Deutsche Bahn im Jahr 2020 – was wird uns, den Kunden, dann wichtig sein? Interessiert uns, ob die Bahn an der Börse ist? Bestimmt nicht. Einem Bahnkunden ist wichtig, dass Menschen und Güter schnell auf der Schiene etwa von Berlin nach Stuttgart transportiert werden – ohne dass zwischendurch eine Schwelle bricht. Der verbissene Kampf zwischen Koalitionspolitikern, Ministerien, Bahnvorstand und Gewerkschaften dreht sich trotzdem seit Monaten nur um ein Thema: Darf die Bahn das Schienennetz mit an den Kapitalmarkt nehmen oder nicht? Fast täglich gibt es neue Modelle. Juristen werden sich freuen. Es grenzte an ein Wunder, käme es nicht schnell zum ersten Prozess zwischen Bund und künftigen Investoren.

Ende Oktober soll die grundlegende Entscheidung über die Privatisierung der Deutschen Bahn fallen. Klar ist nur, dass nichts klar ist. Dabei ist die Schiene ein Verkehrsträger, auf den Deutschland nicht verzichten kann. Richtig genutzt, ist der Zug Auto und Lkw häufig ökologisch überlegen. Der Kampf gegen den Klimawandel geht nicht ohne Bahn. Die Bahn ist außerdem für die Bevölkerung wichtig. Das zeigen die Fahrgastzahlen. Auf der Schiene werden innerhalb von zwei, drei Tagen bundesweit so viele Menschen befördert wie von allen inländischen Fluggesellschaften zusammen in einem Jahr. Bei dem hohen Benzinpreis gibt es zudem für viele nur eine bezahlbare Alternative zum Auto: die Bahn.

Die Schiene ist also ein Rückgrat für Bevölkerung und Wirtschaft – eines, das sich der Staat so viel kosten lässt wie sonst keinen Verkehrsträger. Deshalb muss die Regierung vor einer Privatisierung der Bahn sicherstellen, dass Deutschland – wie vom Grundgesetz verlangt – auch in den kommenden Jahrzehnten noch ein leistungsfähiges Schienennetz hat. Das ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Deutsche Bahn und ihre Konkurrenten der Bevölkerung flächendeckend ihre Dienste anbieten können. Doch zu einer Netzstrategie gibt es bisher wenig, nur einen Bundesverkehrswegeplan, der vor allem Wünsche vereinigt, und eine Bundeshaushaltsplanung, die den Mangel verwaltet.

Der Steuerzahler hat außerdem ein Recht darauf zu wissen, was mit seinem Geld geschieht. Seit Jahren werfen Bahnkritiker dem Konzern vor, Staatsgelder für die Infrastruktur nicht richtig einzusetzen, selber zu wenig beizusteuern und sich für den Börsengang schönzusparen. Die Bahn sagt, dass sie sich an die Regeln hält. Recht haben meist beide Seiten ein bisschen. Die Gefahr besteht, dass die Regierung dieses Durcheinander fortschreibt und um neue Unwägbarkeiten, nämlich international erfahrene, klagebereite Finanzinvestoren, erweitert.

Deshalb muss es eine saubere Lösung geben. Der Steuerzahler behält das, was er bezahlt, also das Eigentum am Schienennetz, ohne Wenn und Aber. Die Deutsche Bahn wird beauftragt, dieses Netz zu managen. Nur sie hat die Kapazitäten und die nötige Erfahrung. Damit die Wettbewerber nicht benachteiligt werden, wird der Regulierer, die Bundesnetzagentur, gestärkt. Mit der Bahn wird vereinbart und dann in ein Gesetz überführt, dass es genügend Bundesmittel gibt, um das Schienennetz zu erhalten. Die Verwendung wird kontrolliert.

Bis auf das Versprechen einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wurde vom Bund zu alldem noch nichts präsentiert. Aber erst, wenn alle Punkte abgearbeitet sind, sollte die Deutsche Bahn AG in die Freiheit des Kapitalmarkts entlassen werden, damit sie das dann sein kann, was sie seit der Bahnreform von 1994 sein soll: kein Spielzeug der Politik, sondern ein Unternehmen. Für den Kunden muss das kein Nachteil sein – Bahnchef Mehdorn hat aus unternehmerischen Motiven Milliarden in neue Züge investiert.

Die Entscheidung über die Privatisierung der Bahn darf nicht weiter aufgeschoben werden. Das wäre fatal für den Konzern und die Beschäftigten, die nicht wissen, wie sie planen sollen, wäre eine Zumutung für die Bevölkerung und ein Armutszeugnis für eine große Koalition, die ja gerade grundlegende Weichenstellungen beschließen sollte.

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