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Politik: Auf neue Wege wagen

Von Michael Mara

Das ist nicht mehr die Zeit, das ist nicht mehr das laue Brandenburg des Manfred Stolpe. Die Koalitionsverhandlungen in Potsdam sind verblüffend schnell, geräuscharm, zielgerichtet über die Bühne gegangen. Nicht einmal drei Wochen nach der Landtagswahl haben SPD und CDU den Koalitionsvertrag unter Dach und Fach gebracht, steht die Regierung. Aber am auffälligsten ist das PersonalRevirement, das Ministerpräsident Matthias Platzeck mit einer in diesem Land bislang unbekannten Konsequenz durchgesetzt hat: Ohne Rücksicht auf frühere Verdienste trennte er sich von Sozialdemokraten der ersten Stunde, Bildungsminister Steffen Reiche und Agrarminister Wolfgang Birthler. Auch das ist ein Bruch mit der alten Stolpe’schen Versorgungsmentalität, jeden mitzuschleppen, keinen fallen zu lassen.

Das ist Platzecks erste richtig eigene Regierung. Die SPD-Minister wählte er aus nach Kompetenz, Einsatz, Teamgeist, Bürgernähe. Dass er alle sozialdemokratischen Kabinettsposten mit Brandenburgern besetzt, ist 14 Jahre nach der Einheit ein psychologisch wichtiges Signal. Platzeck fordert seit langem, dass Ostdeutsche mehr Selbstbewusstsein zeigen, mehr Führungspositionen übernehmen müssten – nicht nur im eigenen Land. Seine Entscheidungen folgen aber auch parteistrategischem Kalkül. Die alte Führungsgarde ist ausgebrannt, die neue soll über fünf Jahre hinaus den Takt angeben. Der Regierungschef hat bereits die Landtagswahl 2009 im Blick. Sein Ziel ist die absolute Mehrheit, mag das auch wegen des Dauertiefs der SPD außerordentlich ehrgeizig erscheinen. Aber es ist, wenn die Reformen im Bund greifen, so ganz unrealistisch nun auch wieder nicht, harte Kärrnerarbeit seiner Mannschaft vorausgesetzt. Und schließlich: Wenn Platzeck Erfolg hat, empfiehlt er sich damit für hohe Aufgaben in der Bundespolitik, als einer der wenigen Sozialdemokraten seiner Generation.

Jörg Schönbohm und seine Union hingegen haben Mühe, dem etwas entgegenzusetzen. Der Schock der Wahlniederlage – die CDU hinter SPD und PDS abgeschlagen auf dem dritten Platz – sitzt den Christdemokraten noch tief in den Knochen. Aber das ist es nicht allein: Anders als Platzeck hat Schönbohm, der Ministerpräsident werden wollte, taktische Fehler begangen: Der General ließ zu lange offen, ob er Innenminister bleibt oder das Wirtschaftsressort übernimmt. Eine Idee, die auch Irritationen auslöste: Ein General ist nicht unbedingt auch ein Generalist. Überhaupt rächte sich, dass Schönbohm ohne klares Personalkonzept in die Koalitionsverhandlungen ging. Seine Unentschlossenheit hat die Partei verunsichert und ein Postengerangel ausgelöst. Platzecks Personaloffensive zwang Schönbohm schließlich, die Fraktionsspitze zu verjüngen und die angeschlagene Justizministerin abzulösen.

Ihr größtes Handicap hat die Union bislang nicht gelöst: die Nachfolgefrage. Der 67-jährige Schönbohm wollte in der Mitte der neuen Legislaturperiode abtreten, also 2006 oder 2007. So mancher Christdemokrat bringt sich bereits in Stellung. Die verbreitete Sorge in der Union vor dem, was nach Schönbohm kommt, vor möglicherweise einsetzenden Führungskämpfen, ist nicht unbegründet. Aber auch Platzeck kann daran kein Interesse haben, weil er für den Umbau des Landes, für schmerzhafte Operationen wie die Konsolidierung des Haushalts einen starken Partner braucht.

So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen. Erforderlich ist ein wirklicher Aufbruch, getreu der Grundphilosophie des Koalitionsvertrags: „Erneuerung aus eigener Kraft“. Das bedeutet allerdings auch eine Absage an die Fusion mit Berlin noch in diesem Jahrzehnt, die der Senat in Berlin nun wohl oder übel akzeptieren muss. Matthias Platzeck, als Regierungschef gestärkt, will das Land in den nächsten Jahren flottmachen, so dass es in der Zukunft bestehen kann – egal ob mit oder ohne Berlin. Und er will mit seinem im heißen Hartz-IV-Wahlkampf auf den Marktplätzen erprobten Politikstil „dicht an den Problemen, dicht an den Menschen“ die Stimmung herumreißen. Das ist der neue Brandenburger Weg. Er ist gerader. Aber auch steiniger.

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