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Politik: Auf Spurensuche

Russlands Botschafter weist Merkels Ermahnungen zurück – Altkanzler Schröder stellt sich hinter Putin

Berlin/Moskau - Die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Verhalten russischer Stellen im Zusammenhang mit dem Tod von Alexander Litwinenko hat diplomatische Verstimmungen verursacht. Russlands Botschafter in Deutschland, Wladimir Kotenew, hat die Ermahnungen Merkels an sein Land zurückgewiesen. „Die Mitarbeit ist da, und unsere Behörden kooperieren auch mit Scotland Yard“, sagte Kotenew in der ARD-Sendung „Sabine Christiansen“. Die russische Staatsanwaltschaft habe zudem ein eigenes Verfahren eingeleitet. „Wir sind nicht minder interessiert, die Wahrheit zu erfahren“, betonte der Botschafter.

Merkel hatte Russland aufgefordert, die Ermittlungen im Fall Litwinenko mit Nachdruck zu unterstützen. Sie vertraue auf die Kooperation zwischen den britischen und russischen Behörden. Zudem habe sie mit Russlands Präsident Wladimir Putin über den Fall der ermordeten russischen Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja gesprochen. Putin habe ihr Aufklärung zugesichert. In der Diskussion über die demokratische Verfasstheit Russlands und mögliche Verstrickungen des Kremls in den Litwinenko-Mord hat Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Putin erneut vor Kritik an dessen Demokratieverständnis in Schutz genommen. Er sehe keinen Grund, seine früher gemachte Charakterisierung Putins als einen „lupenreinen Demokraten“ zurückzunehmen, sagte Schröder am Montag in Wien. „Präsident Wladimir Putins historische Leistung ist es, den Staat als Voraussetzung für Demokratie überhaupt wiederhergestellt zu haben“. Er erwarte nicht, dass Russland vom Weg zur Demokratie zu einem autoritären Staat abdrifte.

Zum Fall des mit Polonium-210 vergifteten russischen Ex-Agenten wollte Schröder nicht Stellung nehmen. Er wundere sich aber über „die Bereitschaft, Urteile zu fällen, ohne Fakten zu kennen“, sagte er. In Russland selbst ist zu dem Fall wenig zu erfahren. Russische, auch kritische Medien zitieren im Fall Litwinenko britische, jetzt auch deutsche Medien und haben aus eigener Feder wenig beizusteuern. Denn die Generalstaatsanwaltschaft und andere offizielle Stellen äußern sich zu dem Fall ebenso wenig wie die britischen Fahnder, die seit Anfang vergangener Woche in Moskau arbeiten.

Einen der wichtigsten Zeugen können sie nicht interviewen: Michail Trepaschkin, ein ehemaliger Geheimdienst- Oberst, der den Briten Details über Killerkommandos des Inlandsgeheimdienstes FSB stecken wollte. Diese hatten angeblich den Auftrag, Litwinenko und andere „Nestbeschmutzer“ zu „liquidieren“. Trepaschkin hatte über seinen Anwalt verbreiten lassen, er kenne konkrete Einzelheiten des Mordplans. Doch Trepaschkin sitzt eine vierjährige Haftstrafe im Ural ab. Wegen Verrats von Staatsgeheimnissen. Die russische Staatsanwaltschaft behauptet allerdings, der Name Trepaschkins habe gar nicht auf der Liste der Personen gestanden, für die sich die Briten interessieren.

Londons Botschafter in Moskau lobte unterdessen das Interesse der russischen Generalstaatsanwaltschaft an „objektiven und allseitigen Ermittlungen“ . Wie Interfax meldete, sollen die in der kommenden Woche auf London ausdehnt werden. Bis dahin würden demzufolge auch alle Vernehmungswünsche der Briten abgearbeitet sein. Die russischen Fahnder interessieren sich vor allem für den Oligarchen Boris Beresowskij, der unter Putin in Ungnade fiel und von London als politischer Flüchtling anerkannt wurde, sowie für den ebenfalls in London lebenden Emissär der tschetschenischen Separatisten, Ahmet Zakajew.

Als dringend tatverdächtig gelten vor allem Andrej Lugowoj und Dmitrij Kowtun. Beides Ex-Geheimdienstler, jetzt Unternehmer, die sich am 1. November mit Litwinenko in der Bar des Londoner „Millenium“-Hotels trafen. Lugowoj und Kowtun, die mit Litwinenko nicht nur befreundet waren, sondern auch geschäftliche Kontakte unterhielten, liegen momentan in Moskau in einer Strahlenklinik und wurden gestern dort vernommen. (mit ddp/dpa)

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