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Politik: Auf verlorenem Posten

Die UN-Truppen sind in Afrika überfordert – allein können sie kollabierende Staaten nicht kontrollieren. Das zeigt sich auch in Kongo

Als UN-Generalsekretär Kofi Annan Mitte vergangener Woche in Kongo eintraf, musste er einer traurigen Pflicht nachkommen: Im Hauptquartier der dort stationierten UN-Mission (Monuc) legte er einen Kranz für die gefallenen UN-Soldaten nieder. Seit Beginn ihres Einsatzes vor sieben Jahren haben 85 Blauhelme in dem zentralafrikanischen Staat ihr Leben gelassen. Und während die EU ihren umstrittenen Einsatz in Kongo vorbereitet, sagte der Afrikaner Annan mit feierlicher Stimme über den für Mitte Juni dort geplanten Urnengang: „Da kommen enorme logistische Herausforderungen auf uns zu, wenn nicht ein Albtraum.“

Eine EU-Einsatztruppe unter Führung der Bundeswehr soll die Wahl zusätzlich absichern – und den überforderten Blauhelmsoldaten den Rücken stärken. In die Debatte um die heftig diskutierte Mission schaltete sich auch Bundespräsident Horst Köhler ein, der die Beteiligung der Bundeswehr zwar befürwortete, aber auch eine klare Strategie für die Beendigung des Einsatzes forderte.

Neben dem Kongo, wo seit 1997 rund vier Millionen Menschen an den Folgen eines inzwischen zumindest offiziell beendeten Bürgerkrieges starben, versuchen sich die UN in sechs weiteren afrikanischen Konflikten als Friedensstifter – zumeist ohne größeren Erfolg: Am Horn von Afrika, wo Blauhelme die umstrittene Grenze zwischen Eritrea und Äthiopien überwachen sollen, schränkte Eritrea vor kurzem die Bewegungsfreiheit der UN- Soldaten drastisch ein. In Elfenbeinküste wurden die Blauhelme gerade erst gezielt von Schlägertrupps des Präsidenten provoziert, die sie aus dem Land jagen wollten. Daraufhin flohen die Blauhelme aus dem Westen in die Hauptstadt. Und in Sudan dürfen UN-Truppen nur den Süden des Landes überwachen, nicht aber in den krisengeschüttelten Westen nach Darfur, obwohl grade dort eine schlagkräftige Truppe nötig wäre, um den brutalen Vertreibungskrieg des Islamistenregimes zu stoppen. Von einem gewissen UN-Erfolg kann nur in Liberia gesprochen werden.

Selbst in Kongo ist es der größten und teuersten Mission der Weltorganisation nach mehr als sechs Jahren nicht gelungen, die Lage so weit zu beruhigen, dass dort im Juni friedliche Wahlen stattfinden können. Die Unzulänglichkeit wird daran deutlich, dass es dazu der Stationierung weiterer 1500 europäischer Soldaten bedarf. Sie haben, so sagen Afrika-Experten, einen höheren Abschreckungseffekt. Anders als die Blauhelme, die nur zuschauten, als auch in Kongo Hunderte Zivilisten vor ihren Augen massakriert wurden.

Mitverantwortlich für das Versagen der UN in Afrika ist auch der ethnische Mix der bunt zusammengewürfelten Truppe. Finanziell klamme Staaten wie Pakistan oder Bangladesch schätzen es, ihre überschüssigen Soldaten zu UN-Einsätzen abzukommandieren, denn pro Soldat streicht das Entsendeland 1000 US- Dollar im Monat ein. Mehr als 5200 Soldaten aus den Kontingenten beider Länder sind in Kongo stationiert. „Dass eine solche Truppe nicht eben motiviert ist, liegt wohl auf der Hand“, sagt ein westlicher Diplomat. Allerdings sind die Blauhelme an ihrem Misserfolg in Kongo nicht allein schuld. Nach mehr als 40 Jahren Diktatur und Krieg sind die staatliche Ordnung und fast jede Form der Infrastruktur ruiniert. Experten schätzen, dass allein in Kongo zu einer wirksamen Befriedigung des Landes rund 50 000 Soldaten nötig wären. Doch das will niemand bezahlen.

In der Debatte über eine deutsche Beteiligung an der EU-Militärmission in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa hat die Bundesregierung am Montag ausdrücklich den Parlamentsvorbehalt betont. Die Rechte des Bundestags würden in keiner Weise in Frage gestellt, sagte ein Regierungssprecher vor der Unterrichtung der Fraktionschefs über den Einsatz durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). FDP und Linkspartei kritisieren, durch Vorfestlegungen in internationalen Gremien übergehe die Regierung das Recht des Bundestags, über den Auslandseinsatz zu entscheiden. Außenpolitiker der Koalition und die Grünen widersprechen energisch: Vorgespräche zu multilateralen Einsätzen seien notwendig und kein Angriff auf Parlamentsrechte.

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