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Politik: Auf zu neuen Ufern

Mit dem U-Boot U-31 und der Fregatte Sachsen verfügt die Marine über High-Tech-Ausrüstung – und fühlt sich besser gewappnet für die Zukunft als Heer und Luftwaffe

Von Robert Birnbaum

Kristiansand

Es ist schon ein kleines Rätsel, wie ein Mensch derart fröhlich sein kann, der sein Berufsleben in einer Sardinenbüchse verbringt. Selbst wenn es die modernste Sardinenbüchse der Welt ist, die der Korvettenkapitän Frank Thiede kommandiert. Es ist ein strahlend sonniger Tag in Kristiansand an der felsigen Südküste Norwegens, aber Thiede ist in Gedanken schon wieder unter Wasser. „Wenn Sie da mit 30 Grad Vorlage runterrauschen, da müssen Sie schon alles festhalten!“ Der Kapitän kippt den ganzen Körper demonstrativ nach vorn.

U-31 liegt still an der Kaimauer, eine eineinhalbtausend Tonnen schwere dunkle Stahlzigarre von 56 Metern Länge und sieben Meter Durchmesser. Ein U-Boot der Superlative: mit einem revolutionären Brennstoffzellen-Antrieb als erstes Nicht-Atom- U-Boot in der Lage, gute zwei Wochen abgetaucht zu bleiben, vollautomatisiert, so dass theoretisch zwei der 27 Mann Besatzung es fahren können, mit den modernsten Sensor- und Computeranalysetechniken bestückt. Und vor allem: Leise. Unter Wasser wandern Töne um die halbe Welt. Nur wer schleichen kann, bleibt unbemerkt. Deshalb schwimmt der Motorblock in Gummi, alle Aggregate sind mit Gummiklötzen an die Decke gehängt, die Brennstoffzelle produziert lautlos Strom. Wenn noch Kalter Krieg wäre, müsste sich die Sowjetarmee ziemlich Kopfzerbrechen machen. Wenn …

„Wozu brauchen wir noch Marine?“ Die Frage stellen dem Admiral und Marine-Inspekteur Lutz Feldt daher keineswegs nur militärische Laien. Auch in der Bundeswehr selbst schauen Heer und Luftwaffe gerne etwas abschätzig auf die Kollegen von See hinab. Besonders, wenn es ums Geld geht. Marine ist teuer, denn Marine ist Großgerät. Die Tornados haben sie an die Luftwaffe abgeben müssen, eine eigene Drohne ist gestrichen. Gut 400 Millionen Euro kostet allein U-31, vier Boote der Klasse sind bestellt. Mit 700 Millionen Euro pro Stück schlägt das neue Flaggschiff zu Buche: Die Fregatte „Sachsen“, ebenfalls gerade auf Probefahrt, erstes von drei Booten der 124er Klasse.

Im Operationsraum der Sachsen können sie fast die gesamte Nordsee zu Wasser und zu Luft beobachten, 1000 fliegende Ziele gleichzeitig verfolgen. Auch das klingt nach Kaltem Krieg. Dafür war es geplant. Aber der Admiral Feldt hat längst eine zeitgemäße Verwendung für den Stahlkoloss ausgemacht. Überhaupt redet keine andere Truppengattung der Bundeswehr so konsequent von neuen Aufgaben. Auf den Folien, mit denen sich die Marine präsentiert, stehen Begriffe wie „Aufklärung“ oder „Seeraumüberwachung“ jetzt ganz oben. Was der Kapitän im geräumigen Bauch von U-31 demonstriert: Ein Schalter, und schon zeigt der Bildschirm ein Wärmebild der Umgebung. „Nachts, wenn alle Katzen grau sind, sehen wir immer noch die bunten Katzen“, sagt Thiede grinsend. Auch in den Torpedos steckt längst nicht mehr nur Sprengstoff. Sondern zum Beispiel eine Videokamera. Oder man spart sich den Torpedo gleich ganz und lässt einen Kampfschwimmer durch das Rohr still und heimlich an einer fernen Küste landen – James Bond lässt grüßen.

Das klingt alles exotischer, als es ist. Für die Marine ist der Auslandseinsatz, wie für das Heer, Routine. Die Fregatten-Patrouille am Horn von Afrika soll demnächst auf das gesamte Seegebiet bis an die Straße von Hormuz, den Eingang zum Persischen Golf, ausgedehnt werden. Im Mittelmeer lauschen deutsche U-Boote, welche Schiffsschraube da auf welchen Wegen unterwegs ist – Schiffsschraubengeräusche, mit modernen Sonar-Anlagen erfasst, sind so unverwechselbar wie Fingerabdrücke.

„Zukunftsmäßig“, sagt Admiral Feldt, „sind wir gut positioniert.“ So gut, dass sie neuerdings sogar etwas abschätzig auf Heer und Luftwaffe blicken. Dass dessen Hubschrauber in der Regel nicht auf einer Fregatte landen können, ist für Feldt von gestern. „Streitkräftegemeinsamer Ansatz“, die Leitidee der neuen Bundeswehrplanung, findet in der Marine entschiedene Fürsprecher; schließlich kann die kleinste Truppengattung am meisten davon profitieren. Auf der Sachsen haben sie den Schiffsbug schon als einzig sinnvollen Platz für die Panzerhaubitze 2000 ausgemacht. Das Super-Schießgerät gehört zwar dem Heer, ist aber so gewaltig, dass es nicht mal in den neuen Transport-Airbus A400M passt. Auf die „Sachsen“ hingegen schon. Womit die Bundesmarine wieder einen Rekord für sich verbuchen könnte: Ihre Fregatte würde sozusagen zum größten Kanonenboot im Dienste einer westlichen Armee.

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