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Politik: Aufatmen in Warschau

Polen liest aus dem Brüsseler Bericht Anerkennung für Reformen

Von Thomas Roser, Warschau

Die größte Tageszeitung Polens konnte ihren Lesern die frohe Botschaft schon zu Beginn der Woche verkünden. „Brüssel sagt Ja zu uns“, überschrieb die „Gazeta Wyborcza“ holprig, aber freudig ihren Aufmacher zum Erweiterungsbericht der EU-Kommission.

Der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz sagte am Mittwoch, er sehe in dem Bericht eine gute Note für Polen. Auch seine Stellvertreterin Danuta Hübner zeigte ihre Zufriedenheit mit dem Zwischenzeugnis. „Angenehm“ sei der Fortschrittsbericht der EU-Kommission zu lesen gewesen, beteuerte die mit den Beitrittsverhandlungen betraute Diplomatin: Der Rapport beschreibe, welche Fortschritte das Land bei der Transformation bereits erzielt habe und mit welchem Elan es sich auf den EU-Beitritt vorbereite.

Mit 38 Millionen Einwohnern ist Polen der mit Abstand größte EU-Anwärter, dessen Bevölkerung mehr Menschen zählt als die der anderen neun aussichtsreichen Beitrittskandidaten zusammen. Für die EU könnte sich die Integration des Landes aber nicht nur als die größte Herausforderung, sondern auch als das mühseligste Problem entpuppen: Stattlich ist die am Mittwoch veröffentlichte Mängelliste für Warschau. Kritik übt der Bericht vor allem an der polnischen Verwaltung, Justiz und dem Agrarsektor. Nicht nur die aufgeblähte Bürokratie, sondern auch die Auswechslung von Spitzenbeamten nach Parteibuch und die Korruption verminderten die Effizienz polnischer Behörden. Ausdrückliches Lob erntet Warschau hingegen für die niedrige Inflation, die Liberalisierung des Handels, das Engagement bei internationalen Militärmissionen und für die Fortschritte bei der zuletzt allerdings wieder etwas ins Stocken geratenen Privatisierung früherer Staatsbetriebe.

Neben der Rezession haben auch die mühsamen und emotional geführten Beitrittsverhandlungen die einstige EU-Begeisterung vieler Polen gedämpft. Bezeichneten sich Mitte der 90er Jahre noch vier Fünftel der Befragten als Befürworter einer EU-Mitgliedschaft, ist deren Anteil laut Umfragen auf etwas mehr als die Hälfte geschrumpft. Keineswegs gewiss ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit der Ausgang der im nächsten Mai geplanten Volksbefragung zum EU-Beitritt: Vor allem auf dem Land bleibt die Skepsis gegenüber der Europäischen Union groß.

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