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Politik: Aufschneider oder „Triebtäter“?

Berlin - Ausgerechnet ein Politiker, der nie eine breite Öffentlichkeit fesseln konnte, wird am Donnerstag als erster Zeuge des Ausschusses vor laufenden Kameras aussagen. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt (AA), Ludger Volmer, ist Namensgeber des umstrittenen Visa-Erlasses aus dem Jahr 2000 („im Zweifel für die Reisefreiheit“).

Von Hans Monath

Berlin - Ausgerechnet ein Politiker, der nie eine breite Öffentlichkeit fesseln konnte, wird am Donnerstag als erster Zeuge des Ausschusses vor laufenden Kameras aussagen. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt (AA), Ludger Volmer, ist Namensgeber des umstrittenen Visa-Erlasses aus dem Jahr 2000 („im Zweifel für die Reisefreiheit“). Der Grünen-Politiker wurde das erste Opfer der Visa-Affäre: Weil die eigene Partei im nordrhein-westfälischen Wahlkampf nicht mehr ertrug, dass Volmer private Geschäfte und Bundestagsmandat vermengte, musste er im Februar sein Amt als außenpolitischer Fraktionssprecher niederlegen. Dabei gibt es bis heute keinen Beweis für den Vorwurf, Volmer habe Visa-Politik mit dem Ziel betrieben, später als Berater der Bundesdruckerei Geld zu verdienen.

Vom Ausschussvorsitzenden hat der Zeuge Neutralität nicht zu erwarten: Hans-Peter Uhl (CSU) hält ihn für einen „einwanderungspolitischen Triebtäter“, wie er dem Bundestag sagte. Angesichts der Verteidigungslinie der Grünen beschwört Volmers Auftritt eine schwierige Situation herauf: Schließlich hatte der damalige Staatsminister den Erlass kurz vor einem Grünen-Parteitag der Öffentlichkeit stolz als Fortschritt präsentiert. Inzwischen verbreiten Parteifreunde, Volmer habe damals in werbender Absicht eine inhaltlich wenig bedeutende Änderung der Visa-Politik mit grüner Ideologie aufgeladen. Als Aufschneider aber wird sich der ehemalige Parteichef dem Ausschuss kaum präsentieren wollen.

Mit der Berufung Volmers ins AA hatte Fischer 1998 die Parteilinke einbinden wollen. Aus Sicht des obersten Realpolitikers freilich erfüllte Volmer seine Funktion als Dompteur der friedensbewegten Partei nur schlecht: Die Wandlung des Politikers zum Kriegsbefürworter im Kosovokonflikt nämlich vollzog die Linke kaum mit. „Er hat nicht geliefert“, hieß es damals in Fischers Umfeld. Trotz solcher Kritik gilt der gestürzte Außenpolitiker heute im Ministerumfeld als loyal gegenüber Fischer und der eigenen Partei. Entgegen verbreiteter Lesart hat Volmer zu Beginn der Visa-Affäre beim Bemühen um die eigene Rettung auch nicht versucht, den Außenminister zu belasten oder ihm zu drohen.

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