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Politik: "Auftakt zur Ostexpansion": Handlanger

Es ist erst ein paar Jahre her, dass die Deutsche und Dresdner Bank damit begannen, ernsthaft und umfassend ihre braune Vergangenheit aufzuarbeiten. Dass beide Geldinstitute in das NS-Regime verstrickt waren, darüber besteht im Grunde kein Dissens mehr.

Es ist erst ein paar Jahre her, dass die Deutsche und Dresdner Bank damit begannen, ernsthaft und umfassend ihre braune Vergangenheit aufzuarbeiten. Dass beide Geldinstitute in das NS-Regime verstrickt waren, darüber besteht im Grunde kein Dissens mehr. Goldhandel und Arisierung - an beidem waren die Häuser nicht unmaßgeblich beteiligt. Auch über die Rolle der deutschen Banken des im Herbst 1938 einverleibten Sudetenland, erschienen unlängst für beide Häuser wissenschaftliche Studien.

Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Harald Wixforth, seit Juli 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, bringt für sein Thema nicht nur reiche Quellenkenntnis mit, sondern auch die nötige sachliche Distanz. Die jetzt erschienene Studie ist dabei nur ein Teil eines Gesamtprojekts mit dem Namen "Die Dresdner Bank in den angeschlossenen und besetzten Gebieten", an dem Wixforth arbeitet. In seiner Untersuchung hat er auch eine Reihe von Beiträgen tschechischer Autoren mit einbezogen, natürlich mit dem Hinweis auf die ideologische Tendenz der vor 1989 erschienenen Arbeiten.

"Engste Verbindungen mit der SS"

Im Hinblick auf die allseits bekannten "engsten Verbindungen mit dem Naziregime, der SS und der Nazipartei", die schon 1947 der Omgus-Bericht der amerikanischen Militärregierung der Dresdner Bank attestierte, verwundert es nicht, dass die Dresdner Bank auch bei ihrer Expansion im Sudetenland ein größeres Maß an Rückendeckung erfuhr als ihre Konkurrenten. Dies wird vor allem deutlich bei dem zähen Ringen der beiden Kontrahenten Dresdner Bank und Deutsche Bank um die Übernahme der im Sudetenland vornehmlich operierenden Filialbanken, der Böhmischen Escompte-Bank und der Böhmischen Union-Bank. Erstere wurde sowohl von der Dresdner als auch von der Deutschen Bank als Übernahmekandidat favorisiert.

Als sich im Laufe der Verhandlungen das Blatt zugunsten der Deutschen Bank zu neigen schien, intervenierte Dresdner Bank-Vorstand Karl Rasche am 7. Oktober 1938 energisch beim Reichskommissar für das Kreditwesen, Friedrich Ernst, und erreichte für sein Institut ein "Prioritätsrecht"; widerwillig musste die Deutsche Bank den Punktsieg ihrer Konkurrentin hinnehmen.

Sehr hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein im Anhang wiedergegebener Filialplan vom November 1938, der die territoriale Aufteilung der "Beute" unter den hauptsächlich Beteiligten Kreditinstituten (Dresdner Bank, Deutsche Bank, Commerz- und Privatbank, Allgemeine Deutsche Creditanstalt) zeigt. Lediglich in Karlsbad, Aussig und Reichenberg waren sie alle vertreten, während an den kleineren Bankplätzen durchaus eine "Arbeitsteilung" zu beobachten war. Vorausgegangen waren der Filialverteilung langwierige Fragen nach möglichen Standorten.

Die Banken versuchten die Pläne des Reichskommissariats für das Kreditwesen mehrfach in ihrem Sinne zu modifizieren. Am Ende lagen - rechnet man Filialen und Kassenstellen zusammen - Dresdner Bank und Deutsche Bank mit ihren sudetendeutschen Standorten, die sie durch die Übernahme von Böhmischer Escompte-Bank bzw. Böhmischer Union-Bank "geerbt" hatten, gleichauf.

Wixforths Fazit weist der Dresdner Bank und den übrigen an der Expansion beteiligten Kreditinstituten durchaus eine große Erwartungshaltung hinsichtlich der Entfaltungsmöglichkeiten im Sudetenland zu. "Hinter dem üblichen bankkaufmännischen Kalkül verbarg sich (...) das Streben nach direkter Einflussnahme auf die Industrie des Landes. Das Interesse der reichsdeutschen Banken war dabei in erster Linie die Stärkung ihrer eigenen Wettbewerbsposition im Konkurrenzkampf untereinander."

Dass es sich bei der ökonomischen Umgestaltung des Sudetenlandes um einen Test für die künftige Neuordnung auch der "Rest-Tschechei" handelte, war sicherlich ein Gesichtspunkt, der zu diesem Zeitpunkt von den Banken noch nicht unbedingt wahrgenommen wurde, auch wenn insbesondere die Dresdner Bank im Hinblick auf die gesamte Tschechoslowakei im Zentrum der macht- und expansionspolitischen Vorstellungen der Reichsinstitutionen stand.

Unter deutscher Kontrolle

Das Verhalten der deutschen Banken im Sudetenland zeigt die Geldinstitute einmal mehr in der Rolle, die ihnen der nationalsozialistische Staat gerne zugestand: Die des verlässlich und zügig arbeitenden Handlangers, der im Fall der Tschechoslowakei vor allem eines bewerkstelligen sollte: die wichtigsten Bereiche der tschechoslowakischen Wirtschaft - Schwerindustrie, chemische Industrie und Maschinenbau - unter deutsche Kontrolle zu bekommen.

Für die Dresdner Bank, die ja bekanntermaßen erst sehr spät zu einer Beschäftigung mit ihrer NS-Vergangenheit gefunden hat, liegt mit Wixforths Arbeit nun ein weiterer, wichtiger Baustein zur Erhellung dieser für die meisten deutschen Unternehmen so heiklen Epoche vor.

Manfred Pohl

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