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Politik: Aus purer Verzweiflung

Allein im Oktober sollen sich fünf tibetische Mönche selbst verbrannt haben – nun auch eine Nonne Mönche in Indien protestieren gegen China

Es ist ein trauriges Novum im Widerstand der Tibeter. Zum ersten Mal zündete sich eine buddhistische Nonne aus Protest gegen die chinesische Herrschaft an und kam ums Leben. Nach Angaben mehrerer tibetischer Exilorganisationen hatte sich die etwa 20 Jahre alte Nonne Tenzin Wangmo am Montag nahe ihrem Kloster außerhalb der Stadt Aba (Tibetisch: Ngaba) im tibetischen Gebiet der Provinz Sichuan angezündet. Sie habe religiöse Freiheit und die Rückkehr des Dalai Lama nach China gefordert, berichtete die in London ansässige Organisation Free Tibet am Dienstag. Zudem gebe es Informationen aus der Region, nach denen weitere Tibeter zu derartigen Aktionen bereit seien, um auf die anhaltenden und brutalen Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Seit März ist die Zahl der Selbstverbrennungen in der tibetischen Region der Provinz Sichuan auf neun gestiegen. Es ist die fünfte allein in diesem Monat. „Die Unruhen in Tibet eskalieren und weiten sich aus“, erklärte Stephanie Brigden, Leiterin von Free Tibet. Die Selbstverbrennungen sind laut Brigden keine individuellen Protestaktionen, sondern Teil einer breiteren Protestbewegung. Erst am Samstag hatte sich der 19 Jahre alte ehemalige Mönch Norbu Dathul auf dem Marktplatz von Aba angezündet. Über seinen Zustand gibt es keine Informationen. Als „klares Zeichen für die tief empfundene Verbitterung und Verzweiflung angesichts der vorherrschenden Bedingungen in den tibetischen Gebieten“, bezeichnete der neue politische Führer der Exiltibeter Lobsang Sangay die Selbstverbrennungen.

Bei einer Demonstration sollen chinesische Sicherheitskräfte am Montag zudem zwei Tibeter niedergeschossen haben. Ihr Schicksal ist laut Free Tibet unbekannt. Überprüfen lassen sich die Berichte allerdings nur schwer. Ausländischen Journalisten ist der Zugang zu zahlreichen tibetischen Gebieten untersagt. Chinas Staatspresse ignorierte die Vorfälle bisher weitgehend. In einer Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua hieß es lediglich, dass die lokalen Behörden hinter der Serie von Selbstverbrennungen Kräfte aus der exiltibetischen Gemeinde vermuteten. Diese organisiere „destabilisierende Aktionen“ in Aba.

Der tibetische Protest in China konzentriert sich derzeit vor allem auf die Stadt Aba und das dortige Kirti-Kloster, aus dem allein sieben der acht Mönche stammen, die sich bisher selbst angezündet haben. Mönche des Klosters hatten sich im Frühjahr 2008 auch an den antichinesischen Protesten beteiligt, die in Lhasa begonnen hatten und sich dann auf tibetisch besiedelte Gebiete in den angrenzenden Provinzen Qinghai und Sichuan ausbreiteten. In Aba wurden während der schweren Unruhen damals 13 Tibeter erschossen. Seither hat Chinas Führung die Militärpräsenz in den tibetisch besiedelten Gebieten drastisch verstärkt. Es kam zu zahlreichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Allein etwa 300 Mönche des Kirti-Klosters sollen zur „patriotischen Umerziehung“ gezwungen worden sein. Laut Free Tibet wurden zudem bisher sechs Mönche im Zusammenhang mit den Selbstverbrennungen zu Haftstrafen verurteilt. Im März dieses Jahres, aus Anlass des dritten Jahrestages der Unruhen von 2008, hatte sich der erste Tibeter selbst angezündet.

„Die Reaktion der chinesischen Behörden bestand bislang darin, exakt jene Politik weiter zu verschärfen, gegen die sich der Protest der Tibeter gerichtet hatte“, kritisiert Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet. Die Organisation forderte Chinas Regierung auf, ihren Kurs zu ändern und so schnell wie möglich mit tibetischen Vertretern in einen ernsthaften Dialog zu treten. Ein Wandel in der derzeitigen Tibet-Politik Chinas ist allerdings mehr als unwahrscheinlich. Stabilität ist das höchste Ziel der chinesischen Führung in Peking. Und dabei setzt Peking vor allem auf Härte.

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