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Politik: Ausgang ungewiss

Von Robert Birnbaum

Es ist der schwierigste, vielleicht der wichtigste, ganz sicher der am schwersten vermittelbare Einsatz deutscher Soldaten. Das Engagement in Afghanistan ist obendrein das fragwürdigste, im ganz wörtlichen Sinn: Es wirft immer wieder Fragen auf nach Sinn und Zweck, Zielen und Mitteln. Berechtigte Fragen, auf die das geflügelte Wort, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird, allein keine Antwort gibt. Abstrakt wird dem ja keiner widersprechen können. Konkret lautet die Frage inzwischen anders: Wird Deutschland am Hindukusch (noch) richtig verteidigt?

Der Bundestag hat am Donnerstag aufs Neue für ein Jahr Ja gesagt, mit großer Mehrheit und großen Bauchschmerzen. Die Lage in Afghanistan ist so schwierig wie nie seit fünf Jahren. Manche sagen: Sie ist kritisch. Der deutsche Botschafter in Kabul hat Abgeordneten eine harte Analyse vorgetragen. Es gibt viel mehr Anschläge als je. Im Süden und Osten des Landes stehen die Taliban vor der Renaissance, trotz (und wegen) der jüngsten Militäroffensiven. Immer mehr Afghanen fragen, was sie von den Fremden mit den Splitterschutzwesten eigentlich haben, wenn der erhoffte Wohlstand nicht kommt, dafür aber die alten korrupten Apparate und die Drogenbarone zurück.

Ist der Einsatz also schon gescheitert? Wer ehrlich zu sich selbst ist, kann nur sagen: Wir wissen es nicht genau. Möglich, dass die Aufgabe für uns, den Westen, die Nato mit all ihren 40 000 Soldaten und allen zivilen Hilfstruppen einfach zu groß ist. Wir hierzulande kriegen die Vereinigung von Berlin und Brandenburg nicht auf die Reihe – und da wollen wir Afghanistan befrieden?

Umgekehrt wird aber auch ein Schuh daraus. Niemand kann je geglaubt haben, der Einsatz in Afghanistan werde ein glatter Erfolg, rückschlagsfrei und risikolos. Jeder hat gewusst, dass dies ein Experiment mit ungewissem Ausgang ist. Weshalb es auch nie eine klare Zielbeschreibung gab – und geben konnte. Der Ruf danach ist ja verständlich. Wir alle wüssten gerne, wofür unsere Soldaten ihr Leben und ihre Gesundheit einsetzen. Aber auch hier kann eine ehrliche Antwort nur lauten: Wir wissen es nicht so genau, wie ein Land mit der Geschichte und den Bedingungen Afghanistans aussehen kann, das seinen Bürgern ein Leben in Würde erlaubt und auf unserer Weltkarte nicht mehr als Drogenfabrik und Brutstätte des Terrors erscheint. Wir können uns nur nach der Methode Versuch und Irrtum vorantasten.

Diese Methode hat immerhin einige Erkenntnisse erbracht. Erstens: Das „amerikanische“ Modell der kriegführenden Besatzungsmacht stößt auch in Afghanistan an seine Grenzen. Die Taliban sind nicht zu besiegen, solange man es nur militärisch versucht. Wer sich auf Großoffensiven beschränkt, schafft mehr Radikale als er außer Gefecht setzen kann. Zweitens: Das „deutsche“ Modell mit seinem starken Anteil an zivilem Aufbau scheint eher in die richtige Richtung zu gehen. Was nicht heißt, dass die Bundeswehr selbst in den Süden ziehen soll. Nicht, weil sie das nicht könnte, sondern weil gerade im Moment jedes Stückchen Stabilität wichtig ist. Der Norden ist ein Stückchen labiler Stabilität. Besser, wichtiger, wir erhöhen unseren Einsatz für zivilen Aufbau und Entwicklung landesweit.

Das alles mag nach wenig klingen, kleinen Schritten, stolpernden. Schon richtig. Aber wo wäre die Alternative? Wenn wir es für das falsche Signal halten, eine Oper vom Spielplan zu nehmen – was wäre erst ein Rückzug aus Afghanistan für ein Fanfarenstoß?

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