zum Hauptinhalt
Menschen feiern Silvester mit Feuerwerk auf dem Alexanderplatz. Berlin, Deutschland, 31.12.2022.

© Ostkreuz/Sebastian Wells

„Hauptstadt der Kriminalität“: Unionspolitiker rücken Integrationsprobleme in den Mittelpunkt

Böllerverbote, harte Strafen? In der Politik wird hitzig darüber diskutiert, welche Konsequenzen die Ausschreitungen in der Silvesternacht haben sollten.

Für die gewalttätigen Ausschreitungen an Silvester machen Unionspolitiker eine gescheiterte Integrationspolitik in Berlin verantwortlich. „Die Ausschreitungen an Silvester in Berlin zeigen einmal mehr: Berlin ist der Failed State in Deutschland. Rot-Rot-Grün verschließt die Augen vor Parallelgesellschaften und Clanherrschaft und trägt so Mitverantwortung für diese Ausschreitungen“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber dem Tagesspiegel. „Für uns in Bayern ist klar: Wer bei uns leben will, muss auch mit uns leben wollen und sich an Recht und Gesetz halten.“

Die stellvertretende CDU-Chefin Karin Prien schrieb auf Twitter, nötig sei eine ressentimentfreie Analyse zu den Ursachen „der unerträglichen Gewaltbereitschaft in unserer (Einwanderungs-)Gesellschaft u.a. gegen staatlichen Organe“. Verfehlte Integrationspolitik gehöre ebenso auf den Prüfstand wie pauschaler Rassismusverdacht gegen Polizei und Feuerwehr.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries sagt: „Wir müssen endlich über die Probleme und nicht über die Symptome sprechen.“ Das diskutierte Böllerverbot lehnt er ab. „Niemand muss glauben, dass diese jungen Männer nächstes Jahr Wachs gießen und sich an Wunderkerzen erfreuen, nur weil es ein Böllerverbot gibt.“

Wenn man sich die Videos anschaue und den Aussagen der Gewerkschaften von Polizei und Feuerwehr glaube, habe man es ganz überwiegend mit einer migrantischen Klientel aus arabischen Staaten und der Türkei zu tun. „Wenn wir solche Krawalle in unseren Städten, die Verachtung gegenüber dem Staat und diese abscheulichen Attacken auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter wirksam und dauerhaft bekämpfen wollen, müssen wir über unsere Migrationspolitik und eklatante Integrationsdefizite sprechen“, sagte de Vries dem Tagesspiegel.

Niemand muss glauben, dass diese jungen Männer nächstes Jahr Wachs gießen und sich an Wunderkerzen erfreuen, nur weil es ein Böllerverbot gibt.

Christoph de Vries, CDU-Innenpolitiker

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lehnt Böllerverbote ab. „Die Diskussion um Feuerwerks-Verbotszonen oder gar generelle Verkaufsverbote löst das eigentliche Problem nicht: die zunehmende Verrohung von Krawallmachern und der schwindende Respekt vor Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das zeige sich nicht nur an Silvester, sondern grundsätzlich bei verschiedensten Anlässen. Gerade die Bundeshauptstadt habe hier große Schwierigkeiten. „Das liegt auch daran, dass dort den Einsatzkräften die politische Rückendeckung vor allem von Linken und Grünen fehlt.“

„Berlin hat sich über die letzten 20 Jahre leider zur deutschen Hauptstadt der Kriminalität, der Gewalt, der Chaoten und krimineller Clans entwickelt. Es ist offensichtlich, dass der Kampf für die innere Sicherheit in Berlin nicht mit der notwendigen Konsequenz geführt wird“, sagte der CSU-Politiker der „Mediengruppe Bayern“.

Den Eindruck zu erwecken, Pyrotechnik sei das eigentliche Problem, sei ein plumpes Ablenkungsmanöver. „Trotzdem können wir die Möglichkeiten der Kommunen, Verbotszonen für Feuerwerke auszuweisen bzw. auszuweiten, gerne bei der kommenden Innenministerkonferenz besprechen.“ Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte das vorgeschlagen.

Diskutiert wird zudem eine Strafverschärfung für die Randalierer. In der Ampel hält man davon wenig. „Bei einem Blick ins Strafgesetzbuch erkennt man, dass tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, je nach den Tatumständen mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden können“, sagt die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr.

Harte Strafandrohungen führten aber nicht zu hoher Abschreckung. Es gelte vielmehr, das bestehende, bereits hohe Strafen vorsehende Recht auch tatsächlich anzuwenden. „Dafür ist vor allem eine gute Aufstellung von Ermittlungsbehörden und Gerichten notwendig.“

Die Höhe des Strafmaßes führt nicht allein zu einer stärkeren Abschreckung.

Carmen Wegge, SPD-Rechtspolitikerin

Ähnlich sieht es die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge. „Die Höhe des Strafmaßes führt nicht allein zu einer stärkeren Abschreckung“, sagt sie. „Es geht vielmehr darum, dass Täter*innen wissen, dass eine Bestrafung auch tatsächlich stattfindet und ihr Handeln Konsequenzen hat.“

Helge Limburg, der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, verurteilt die Angriffe, kritisiert aber auch die Union für die Art, wie sie nun die Debatte führt. „Angriffe an Silvester sind erkennbar ein bundesweites Phänomen, kein auf Berlin beschränktes. Der Versuch einiger Unionspolitiker, die Probleme vor allem in Berlin zu verorten, ist offenkundig ein Wahlkampfmanöver angesichts der nahenden Abgeordnetenhauswahl“, sagt er. Es würden rassistische Ressentiments bedient, statt Lösungen aufzuzeigen.

Angriffe an Silvester sind erkennbar ein bundesweites Phänomen, kein auf Berlin beschränktes. Der Versuch einiger Unionspolitiker, die Probleme vor allem in Berlin zu verorten, ist offenkundig ein Wahlkampfmanöver.

Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag

Bundesweit habe es Angriffe auf Einsatzkräfte gegeben, von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. „Der mangelnde Respekt vor Vertretern des Staates und die sinkende Hemmschwelle zur Gewalt sind nicht auf bestimmte Bevölkerungsgruppen begrenzt.“ Es brauche ein klares Signal, dass solche Gewalt nicht bagatellisiert werde.

Richtig sei zudem, dass es spezifische Fehler im Vorfeld in Berlin gegeben habe. „Es rächt sich, dass Bürgermeisterin Giffey und die Innensenatorin sich gegen weiträumige Böllerverbotszonen ausgesprochen haben. Damit hätte zumindest das Ausmaß eingedämmt werden können“, sagte Limburg. Außerdem müssten Einschränkungen beim Verkauf von Böllern geprüft werden, wie zum Beispiel Mengenbegrenzungen und Verbot des Onlineeinkaufs.

Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz wirbt für eine bundeseinheitliche Vorgabe, die den Kommunen dabei helfen soll, rechtsfeste Regelungen zu treffen. „Die Länder und Kommunen müssen einen Instrumentenkoffer an die Hand bekommen, mit dem sie der jeweiligen Situation vor Ort passgenau gerecht werden können.“

Bei den Linken hält man es für schädlich, wie die Debatte nach der Silvesternacht unter anderem von der Union geführt wird. „Eine migrationspolitische Debatte zu entfachen, halte ich für rassistisch und wird weitere Ressentiments schüren“, sagte Clara Bünger, die rechtpolitische Sprecherin der Linken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false