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Politik: Aussenminister Fischer fordert bei Treffen mit serbischen Opposition ein Ende der Ära Milosevic

Seine Worte waren Ermunterung und Mahnung zugleich: "An einem Strang" müsse die Opposition in Jugoslawien ziehen, wenn sie den Präsidenten Slobodan Milosevic stürzen wollte. Aber die Abspaltung Montenegros vom Bund mit Serbien sei "die Lösung nicht".

Seine Worte waren Ermunterung und Mahnung zugleich: "An einem Strang" müsse die Opposition in Jugoslawien ziehen, wenn sie den Präsidenten Slobodan Milosevic stürzen wollte. Aber die Abspaltung Montenegros vom Bund mit Serbien sei "die Lösung nicht". Bundesaußenminister Fischer redete Tacheles und der Opposition Jugoslawiens an diesem Sitzungsnachmittag im Berliner Abgeordnetenhaus ins Gewissen. Der "Erfinder" des Stabilitätspaktes für Südosteuropa mochte auch diejenigen nicht aus der Pflicht entlassen, die in Jugoslawien seit Monaten dafür kämpfen, Milosevic aus dem Amt zu entfernen.

"Die Frage nach dem Souverän, dem Herrschenden, war in Jugoslawien immer von ethnischen und nationalistischen Interessen geprägt." Jetzt gelte es, Voraussetzungen für ein multiethnisches Konzept zu schaffen. Fischer: "Der Balkan braucht einen radikalen Politik- und Mentalitätswechsel."

Der alte Mann neben ihm notierte diese Worte des Ministers aufmerksam - gutes Futter für Reden vor Zigtausenden Demonstranten in Belgrad wie für einen möglichen Wahlkampf; ganz im Sinne von Dragoslav Avramovic. Mit seinen mehr als achtzig Lebensjahren ist der frühere Gouverneur der serbischen Zentralbank der führende Kopf der Opposition auf Belgrads Straßen. Aller Eitelkeit unverdächtig, spricht er von der "großen Mitschuld des serbischen Regimes" an den Krisen des Balkans. Und von der "maximalen Bereitschaft, alle nationalen und ethnischen Fragen für immer zu regeln. Es gibt die Erleuchtung, dass es so nicht weiter geht." Deshalb will er regieren.

Avramovic berichtet von der "tiefen Depression", in die nicht nur Serbien, sondern auch Montenegro und Bosnien wirtschaftlich gefallen seien. Diese zu beenden, fühlt sich der "Super-Opa", wie ihn seine Anhänger nennen, noch stark. "Er hat Charisma und ist von hoher fachlicher Kompetenz", heißt es aus dem Auswärtigen Amt: "Um der kommende Mann zu sein, ist er nur leider zwanzig Jahre zu alt."

Montenegro, der kleine Nachbar, lässt sich von so viel Belgrader Opposition sein Misstrauen nicht nehmen. Mit einem Referendum über die Unabhängigkeit droht Miodrag Vukovic von den mitregierenden Sozialdemokraten, falls Montenegro das Recht auf ein gleichberechtiges Bündnis mit Serbien verwehrt bleibt. "Ein föderalistisches Jugoslawien gibt es de facto nicht mehr." Und zu Fischer: "Nehmen Sie uns nicht das Recht auf Selbstbestimmung."

Claudia Lepping

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