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Politik: Ausweitung der Kampfzone - die Union gegen Kohl - und Kohl gegen die Union (Leitartikel)

Die Ereignisse überschlagen sich. Was wir gerade erleben, sind aber nicht nur schlicht weitere Akte im Drama über den Fall der CDU.

Die Ereignisse überschlagen sich. Was wir gerade erleben, sind aber nicht nur schlicht weitere Akte im Drama über den Fall der CDU. Wir sehen vielmehr den Beginn einer Eskalation ohne Beispiel: die Union gegen Kohl - und Kohl gegen die Union.

Es ist ein angekündigter Kampf, und es könnte einer werden, der nachher nur noch Opfer kennt. Wie brutal er zu werden droht, hat Helmut Kohls Auftritt bei der altehrwürdigen Hamburger Handelskammer gezeigt. Ein wenig pathetisch, in jedem Fall selbstgewiss hat Kohl den Satz gesagt, in dem seine Antwort liegt auf alles, was vorher war. Der Satz bestimmt auch, was jetzt noch kommen wird: "Ich kämpfe um meine Ehre." Darin liegt deshalb eine grandiose Drohung, weil er bedeutet, dass Helmut Kohl ohne Rücksichtnahme auf die Partei nur noch für sich selber kämpfen wird. Nichts hat ihn erschüttert. So erweitert sich die Dimension des Politischen: Wir sehen eine Ausweitung der Kampfzone. Kohl kämpft um das, was ihm die Partei schon aberkennt, und gegen die, die in seinem "System" groß geworden sind. Sie bilden die gesamte heutige Führung der Partei. Sie müssen das Schlimmste erwarten.

Schäuble hat es als erster erkennen müssen. Sein Besuch bei Kohl war gedacht als Geste, als freundliche Aufwartung. Er wollte Kohl die Augen öffnen für den Schaden, den das Schweigen des Ehrenvorsitzenden für die CDU, seine CDU, haben kann: einen unermesslichen. Und ist dabei ohne jeden Erfolg geblieben. Anfangs haben die beiden geredet, dann gebrüllt. Bis zum Bruch. Das Dramatische daran und an den nachfolgenden Ereignissen wird Stunde um Stunde deutlicher. Was als Auseinandersetzung um die richtige Krisenreaktion und um die Deutungshoheit im Skandal begonnen hat, ist jetzt ein Kampf darum, welche Gesinnung dominiert.

Schäuble, als "Aufklärer" in Nöten, wollte schon zurücktreten, er hatte schon aufgegeben, wegen seiner Zeit mit Kohl und wegen seines Verschweigens im Parlament. Noch nicht einmal mehr eine Präsidiumssitzung mochte er einberufen; nur Angela Merkel, seine Generalsekretärin, hat ihn dazu bewegen können. Dann hat ihn das Präsidium mit seinem gesammelten Rücktrittsangebot bewegt, Parteichef zu bleiben; in der CDU ist übrigens auch das ein Vorgang ohne Beispiel. Indem die Führung Schäuble unterstützte und sich in der gemeinsamen Not verbündete, hat sie die Auseinandersetzung mit Kohl eskaliert. Einer gegen alle.

Auch Kohl eskaliert. Nach seinem Hamburger Auftritt hat er nun erklärt, es gehe nicht um die Wahrheit, es gehe um eine Hetzjagd. Das erinnert an Manfred Kanther und sein Wort von der "Treibjagd" - nur hat Kohl klargemacht, dass er nicht aufzugeben, nicht einzulenken gedenkt. Er will der Jäger sein.

Die Union im Kampf gegen Kohl - das sind ihre Mittel: Die Fraktion, deren Vorsitzender Schäuble auch ist, kann ihr Mitglied Kohl zum Verzicht auf das Mandat auffordern. Damit nimmt sie ein Recht wahr. Die Fraktion kann ihn, wenn er sich weiter verschließt, aus ihren Reihen ausschließen. Und die Partei, seine Partei, kann ihrem Vorsitzenden, dem die Ehre abhanden gekommen ist, nach dem Vereinsrecht eine Zivilklage anhängen. Jeder Verein würde so handeln. Und die CDU müsste in diesem Fall nicht mehr selbst über Kohl richten. Er hat sich über das Gesetz gestellt, das Gesetz muss es richten.

Wieder war es ein dramatischer Tag, politisch. Und dann hat sich ein Fraktionsreferent selbst getötet; das muss nichts mit der Spendenaffäre zu tun haben. Aber es trifft die Union auf unheimliche Weise.

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