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Autobauer in der Krise: Werden jetzt die EU-Klimavorgaben aufgeweicht?
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will die Zukunft der Automobilindustrie zur Chefsache machen. Das könnte auf eine Entschärfung der Schadstoff-Grenzwerte hinauslaufen.
Stand:
Am Sonntag hat die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen ihr Amt angetreten. Zu den Punkten, die für die CDU-Politikerin in der nächsten Amtsperiode Vorrang haben, zählt die Zukunft der europäischen Automobilindustrie. Sie werde einen „breiten Auto-Dialog über eine längere Zeit“ führen, hatte von der Leyen bei ihrer Rede im Europaparlament am vergangenen Mittwoch angekündigt. Doch was bedeutet das konkret?
Der SPD-Politiker Bernd Westphal hat klare Erwartungen an den „strategischen Dialog zur Zukunft der Automobilindustrie in Europa“, den von der Leyen angekündigt hat. Die EU müsse bei der Batteriezellfertigung „technologisch und wirtschaftlich eine Vorreiterrolle“ einnehmen, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel. „Dafür sind niedrigere Strompreise eine grundlegende Voraussetzung“, fügte Westphal hinzu.
Eigentlich wollen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Firmen – darunter auch den angeschlagenen Autobauer VW – bei den Netzentgelten und damit bei den Stromkosten entlasten. Allerdings fehlt der rot-grünen Minderheitsregierung dafür im Bundestag die Mehrheit.
In dem von Westphal angesprochenen Bereich der Batterieindustrie musste die EU derweil zuletzt einen Rückschlag verzeichnen. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, einer der Hoffnungsträger der europäischen Pkw-Industrie, ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Außerdem sprach sich Westphal dafür aus, nicht an den sogenannten Flottengrenzwerten zu rütteln, die Brüssel zum Klimaschutz für die Autoindustrie beschlossen hat. Die Flottengrenzwerte sind Vorgaben für Hersteller, wie viele Treibhausgase neu gebaute Autos im Betrieb ausstoßen dürfen. Im kommenden Jahr ist eine Verschärfung dieser Grenzwerte vorgesehen, bei Verstößen drohen den Herstellern empfindliche Geldbußen.
Die EVP-Fraktion will die Klimaziele um zwei Jahre schieben
Laut einem dem „Handelsblatt“ vorliegenden Positionspapier der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament um den CSU-Politiker Manfred Weber sollen die für 2025 festgelegten Ziele um zwei Jahre verschoben werden. Damit soll den Herstellern mehr Flexibilität bei der Transformation ermöglicht werden. Allerdings hat sich die EU-Kommission bislang gegen derartige Vorschläge gestellt.

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Für 2026 ist eine generelle Überprüfung der Klimaziele für Pkw auf EU-Ebene vorgesehen. Neben den Christdemokraten streben auch die Liberalen in Brüssel eine Entschärfung an. „Wir hoffen, dass die Revision der CO₂-Flottengrenzgrenzwerte zeitlich vorgezogen wird“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen dem Tagesspiegel.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Westphal wandte sich hingegen gegen eine Aufweichung der Klimaziele. „Die Debatte um die CO₂-Flottengrenzwerte sorgt für enorme Verunsicherung“, sagte er. Die festgelegten Grenzwerte seien zusammen mit der Autoindustrie erarbeitet worden. „Ein Abrücken oder Verschieben der Ziele könnte die stark angeschlagene Autoindustrie weiter gefährden“, gab er zu bedenken.
Die neue EU-Kommission will das Verbrenner-Aus nicht kippen
Zu den Klimazielen gehört auch das auf EU-Ebene beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035. Ab diesem Zeitpunkt dürfen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die nicht mit Benzin oder Diesel fahren. Doch die Regulierung könnte kippen: Die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament fordert, bereits im kommenden Jahr eine Revision des Verbrenner-Aus vorzunehmen.

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Ohnehin ist das Verbot für Verbrenner bereits aufgeweicht. Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) hatte im vergangenen Jahr erwirkt, dass für den Verbrenner beim Einsatz klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe – sogenannter E-Fuels – ein Hintertürchen offengehalten wird. „Wir brauchen E-Fuels, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen“, sagte der seinerzeitige FDP-Politiker damals.
Allerdings wird selbst bei den Liberalen im Europaparlament in Brüssel gesehen, dass in der neuen EU-Kommission niemand am Verbot von Diesel- und Benzinmotoren in Neuwagen ab 2035 rütteln will. Bei der Anhörung für die neue EU-Kommission hatten sich sowohl Klimakommissar Wopke Hoekstra als auch der für das Verkehrsressort zuständige Grieche Apostolos Tzitzikosta für das Verbrenner-Aus ausgesprochen.
„In den Anhörungen der Kommissare wurde mehrfach betont, dass die Kommission aktuell kein Kippen des Verbrennerverbots plant und auch die Bewertung der CO₂-Flottengrenzwerte nicht vorgezogen werden soll“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Andreas Glück. Dennoch sieht er einige der FDP-Forderungen erfüllt. Denn schließlich sei nach seinen Worten zugesagt worden, „2026 eine Ausnahme für rein mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge zu schaffen“.
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