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Politik: Bankenpleite in Tschechien: Havel spricht von "Mafia-Kapitalismus"- Zusammenbruch der IPB wird den Steuerzahler Milliarden kosten

In einem dramatischen Vergleich bezeichnete Tschechiens Präsident Vaclav Havel gestern die drittgrößte Bank des Landes als ein "seit langem eiterndes Geschwür". Damit meinte er die Investitions- und Postbank (IPB), die in einen der größten tschechischen Skandale der letzten Zeit verwickelt ist.

In einem dramatischen Vergleich bezeichnete Tschechiens Präsident Vaclav Havel gestern die drittgrößte Bank des Landes als ein "seit langem eiterndes Geschwür". Damit meinte er die Investitions- und Postbank (IPB), die in einen der größten tschechischen Skandale der letzten Zeit verwickelt ist. Havels frühere Kritik an einem durch "alte (kommunistische) Seilschaften beherrschten Mafia-Kapitalismus" in Tschechien, die wütende Reaktionen der Politiker zur Folge hatte, gewann somit an brisanter Aktualität. Das marode Bankinstitut, das auch über eine merkwürdige politische Macht verfügt, musste am vorigen Freitag wegen Zahlungsunfähigkeit von der tschechischen Zentralbank unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Die dramatische Lage wurde zugleich für jedermann auch dadurch sichtbar, dass dieser Schritt von einer spektakulären Polizeiaktion begleitet wurde: Maskierte Beamte eines Spezialkommandos besetzten die IPB-Zentrale in der Prager Innenstadt.

Nach Experten-Schätzungen ist die IPB mit mindestens einem Drittel, möglicherweise mit der Hälfte der tschechischen Wirtschaftsstruktur eng verflochten. Einige westliche Bänker nennen Tschechien sogar ein "IPB-Land". Mit rechten Dingen war ein solcher Aufstieg im letzten Jahrzehnt wohl kaum zu bewerkstelligen. Es wird jetzt angenommen, dass tschechische Politiker, und zwar quer durch das Parteienspektrum, die ganze Zeit beide Augen zudrückten und dafür von der IPB Schmiergelder zumindest für ihre Parteikassen erhielten. Sowohl die regierenden Sozialdemokraten als auch die mit ihnen durch einen "Oppositionsvertrag" verbundenen Bürgerlichen Demokraten (ODS) stehen bei der IPB außerdem offiziell tief in der Kreide.

Die Polizei versuchte in den letzten Jahren angeblich erfolglos, die undurchsichtigen Besitzerstrukturen von IPB zu entschlüsseln. Jetzt wird es die Aufgabe eines neuen Inhabers sein - in Windeseile organisierte die Regierung nämlich einen Blitzverkauf: Am Montagmorgen erwachten die beunruhigten IPB-Kunden bereits als Klienten eines anderen Bankinstituts, der Handelsbank (CSOB), die 1999 von der belgischen KBC-Gruppe privatisiert wurde. Die Zeche allerdings werden die tschechischen Steuerzahler zu begleichen haben, denn die Regierung verpflichtete sich, der CSOB den Ausgleich jeglicher Verluste aus diesem Geschäft zu zahlen. Die Rede ist von 100 Milliarden Kronen aufwärts. Zum Vergleich: Bislang wurden für die Rettung des Banksektors in Tschechien 250 Milliarden Kronen aus der Staatskasse ausgegeben.

Der IPB-Fall ist aber nicht nur wegen seiner spektakulären Größenordnung brisant. Vor zwei Jahren verkaufte der Staat seinen IPB-Aktienanteil von 40 Prozent an das japanische Bankhaus Nomura-Securities in der Hoffnung, dass dieses in der IPB-Bank für Recht und Ordnung sorgen werde. Denn ähnlich wie in anderen Reformländern erwartet man auch in Tschechien von westlichen Investoren entscheidende Impulse auch zur "moralischen" Genesung der Wirtschaft. In einem Umfeld aber, wo die Korruption blüht, die Gesetze unterlaufen werden (und dabei kaum jemand bestraft wird), wird auch das gewünschte Engagement ausländischer Geldgeber offenbar zum Lotteriespiel. Nomura ließ aus Tokio jetzt verlauten, man betrachtete das IPB-Engagement von Anfang an als reines Investment und hätte nie vorgehabt, diese Bank zu lenken. So gesehen ist die Nomura-Bilanz bestimmt positiv. Allein der Verkauf der IPB-Anteile von Pilsner Urquell brachte den Japanern mehr, als sie in ihr tschechisches Abenteuer investieren mussten. Für den Weg Tschechiens in die EU und das künftige politisch-wirtschaftliche Vertrauen in das Land ist die IPB-Affäre aber verheerend.

Ludmila Rakusan

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